Besuch bei den freien Pragmatikern

18. März 2013 I Nordische Botschaften

Mitglieder des JVBB und DJV Berlin haben die Nordischen Botschaften am Tiergarten besucht. Mit der finnischen Botschafterin und dem Presseattaché sprachen sie über Gemeinsamkeiten und Identitäten der einzelnen Länder - sowie über Bildung und nordischen Pragmatismus. Auch der Koch hatte etwas zu erzählen.

Von Michael Rediske

Wer das geschwungene grüne Kupferband der Nordischen Botschaften am Rande des Tiergartens sieht, ahnt nicht, dass sich dahinter, um eine Plaza herum, fünf kleinere Gebäude verbergen – jedes im eigenen architektonischen Stil, aber alle mit viel Glas und unterschiedlichen Hölzern ausgestattet.

Längst ist der Gebäudekomplex zu einer touristischen Attraktion Berlins geworden, denn im Unterschied zu anderen Botschaften ist das zentrale Felleshus („Gemeinschaftshaus“) auch für die Öffentlichkeit zugänglich, mit kulturellen Veranstaltungen und einer vorzüglichen Kantine.

Warum ein gemeinsamer Botschaftskomplex von Nachbarländern? In anderen Regionen der Welt wäre das undenkbar? Die erste Frage, welche die Koordinatorin des Interkulturellen Netzwerkes des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg (JVBB), Minou Amir-Sehhi, bei dem gemeinsamen Besuch mit dem DJV Berlin am 14. März, stellte, war schnell beantwortet: natürlich um Kosten zu sparen, sagte die Botschafterin von Finnland, Päivi Luostarinen. Aber auch weil die nordischen Länder auf diese Weise in Berlin präsenter sind. Bei gemeinsamen Terminen zum Beispiel im Auswärtigen Amt würden ihre Diplomaten „ganz anders wahrgenommen“. Es ist die historische und kulturelle Nähe der skandinavischen Länder untereinander, die ein gemeinsames Auftreten, Seminare und Kulturveranstaltungen möglich macht. Auch wenn die fünf Länder nicht alle in der EU sind und jedes eine andere Währung hat: In der Außenpolitik vertreten sie meist „ähnliche Meinungen“, sagt Botschafterin Luostarinen.

Ein Konsens wird nicht so schnell umgestoßen

Das Gespräch mit der Journalistengruppe kreiste um die gemeinsame und die je besondere Identität der nordischen Länder. Wie schon das Botschaftsgebäude symbolisiert: Sie verstehen sich als offene, pragmatische Gesellschaften, als Wohlfahrtsstaaten, die stolz sind, auch ihre Wirtschaftskrisen aus eigener Kraft zu überwinden, wie Finnland in den neunziger Jahren.

Bald schon verlagerte sich das Gespräch hin zu Fragen der Bildung. Warum stehen Finnland und die anderen nordischen Länder bei den Pisa-Studien so gut da? Weil mehr Geld investiert wird? „Nein, Geld ist nicht die Antwort“, meint die Botschafterin. Das Schulsystem produziere „mehr Gleichheit“. Die Gesamtschule hält die Schüler bis 16 Jahre zusammen, die Lehrer, obwohl schlechter bezahlt als in Deutschland, fühlen sich gesellschaftlich anerkannt und haben in der Unterrichtsgestaltung „viel Freiheit“.

Schließlich die Frage nach der Atomkraft: Warum legt Finnland nicht wie Deutschland nach Fukushima den Rückwärtsgang ein? Die erstaunliche Antwort von Presseattaché Leo Riski, den seine vorgesetzte Botschafterin gleichberechtigt zu Wort kommen lässt: Die Finnen vertrauen sehr auf ihre eigene Sicherheitstechnik und ihre Experten. Und sie sind sehr pragmatisch: Einmal im Konsens eine Entscheidung getroffen, wird sie nicht so schnell wieder umgestoßen. Ganz anders, war da heraus zuhören, als in Deutschland nach Fukushima.

Den architektonischen Höhepunkt des Besuchs bildete ein Rundgang durch alle fünf Botschaftsgebäude, bis hin zum kleinsten: dem Islands mit acht Angestellten. Für wie viele Einwohner? Gerade einmal 300.000. Aber auch hier gilt: Island präsentiert sich gleichberechtigt, auf Augenhöhe mit den großen Nachbarn Schweden und Norwegen. Als Abschluss der Exkursion gab es das Mittagessen in der botschaftseigenen Kantine - ab 13 Uhr ist diese täglich auch für Besucher geöffnet. Chefkoch Kenneth Gjerrud (er betreibt daneben das einzige norwegische Restaurant in Berlin) kam auch noch vorbei und brachte mit seinen Erlebnissen als Norweger mit den anderen vier Kulturen und Essgewohnheiten noch eine ganz andere Geschmacks-Note in das Gespräch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der nordischen Länder.

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