Berichterstattung über Missstände bald "Verrat von Geschäftsgeheimnissen"?

9. April 2015 I Markus L. Blömeke

Der DJV-Bundesverband hat die EU-Kommission aufgefordert, die Interessen von Journalisten und deren Informanten in der geplanten Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen deutlicher zu berücksichtigen. Nach Angaben der Europäischen Journalisten-Föderation plant die EU-Kommission eine einheitliche Regelung zum Schutz von Firmengeheimnissen. Deren Verrat soll europaweit schärfer sanktioniert werden. Ausnahmen sieht ein entsprechender Richtlinienentwurf nur in Fällen von "rechtmäßigem" Handeln der Medien, zum Schutz eines "legitimen Interesses" oder in Sonderfällen bei Vorliegen eines "öffentlichen Interesses" vor. "Das kann in der Praxis dazu führen, dass Redaktionen vor der Veröffentlichung ein solches Interesse oder ihre geplanten Beiträge zur Meinungsbildung gerichtsfest überprüfen müssen", warnte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken und ergänzte: "Das ist nicht leistbar." Sollte die EU-Richtlinie in ihrer jetzigen Form in Kraft treten, befürchtet Konken für die Journalistinnen und Journalisten in Europa einen Rückschritt in der Freiheit der Berichterstattung. "Wir brauchen mehr und nicht weniger Freiheit", hielt Konken fest. "Die Richtlinie muss gewährleisten, dass die Freiheit der Medien und die Aktivitäten von Whistleblowern nicht eingeschränkt werden. Das ist durch den derzeitigen Entwurf nicht sichergestellt." Über den Richtlinienentwurf hatten der Branchendienst "turi2" und einige Medien im kleinen Nachbarland Österreich berichtet. In Deutschland ist er medial bisher kaum wahrgenommen worden. Mit ihrem Vorhaben scheint die EU-Kommission ein juristisches Konzept übernehmen zu wollen, das aus anderen Rechtssystemen wie etwa dem US-amerikanischen stammt: Geschäftsgeheimnisse ("secrets") jeglicher Art gehören dort tendenziell zum Bestand des geistigen Eigentums ("intellectual property") von Unternehmen. Dazu gehören grundsätzlich auch Informationen über strafbares oder unlauteres Handeln von Firmen. Wenn Whistleblower Geschäftsgeheimnisse veröffentlichen, machen sie sich diesem Konzept zufolge leicht der unlauteren Einmischung ("tortious interference") in das Geschäftshandeln von Unternehmen schuldig. Haben sie mit ihrem Arbeitsvertrag gar eine – in Europa in den wenigsten Fällen zulässige – allumfassende Verschwiegenheitsklausel unterschrieben, begehen sie zudem Vertragsbruch, wenn sie brisante Informationen an Journalisten weitergeben. Dies bringt in den USA regelmäßig Whistleblower und Journalisten, die deren Informationen verwerten wollen, in erhebliche Schwierigkeiten.

Spielfilm-Tipp: Die Problematik von Geschäftsgeheimnissen für Whistleblower in den USA wird anhand eines realen Falles in dem Oscar-nomierten Spielfilm "Insider" (Oiginaltitel: "The Insider") thematisiert. Die Hauptrollen spielen Al Pacino und Russell Crowe.

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