Wie sich große Recherchen finanzieren lassen

18. April 2013 I Abendveranstaltung

Beim DJV Berlin haben drei Stipendiaten des Pulitzer Center on Crisis Reporting über Umsetzung ihrer investigativen Recherchen berichtet. Ein Fazit des Abends war: Wer es einmal geschafft hat, gefördert zu werden, hat es bei Folgeanträgen deutlich leichter.

Global Crisis Reporting: Die Realisierung internationaler Recherchen“ war die gemeinsame Veranstaltung von JVBB und DJV Berlin in Kooperation mit dem Pulitzer Center for Investigative Reporting am 11. April überschrieben. Geboten wurde praktische Tipps zu potentiellen Geldgebern und die Vorstellung zweier spannender Filmprojekte, die unter anderem mithilfe von Stiftungsgeldern realisiert worden sind.

Zweifellos hätte „Outlawed in Pakistan“ ohne Stiftungsgelder kaum entstehen können, eine Dokumentation über Vergewaltigung und Ehrenmorde in dem südasiatischen Land, die gerade in den USA auf Festivals präsentiert wurde und dieses Jahr auch noch in der deutschen Fassung für den WDR aufbereitet wird.

Mehrere Male waren Hilke Schellmann und ihre aus Pakistan stammende Kollegin Habiba Nosheen zu den Dreharbeiten in Karachi, wohin sich die 13-jährige Kainat und ihre Familie geflüchtet haben, weil Pakistans größte Metropole der Familie einen wichtigen Kontakt zur Frauenrechtsorganisation "War Against Rape" bot. Der Neun- Minuten-Ausschnitt mit den Erklärungen Hilke Schellmanns illustriert nicht nur die ganze Brisanz des Themas, sondern auch den mit entsprechenden Kosten verbundenen Rechercheaufwand, um die Geschichte „rund“ zu bekommen.

Sowohl das Pulitzer Center on Global Crisis Reporting, mit dem die deutsch-amerikanische Journalistin auf Vortragsreise in Paris und Berlin unterwegs war, als auch ITVS (ein öffentlich- rechtlicher Sender in den USA) und das Asian American Media Centre trugen zur Finanzierung bei, um vor drei Jahren erstmals und später erneut zum Dreh nach Pakistan zu reisen. „Zunächst habe ich nebenbei Vollzeit beim Wall Street Journal gearbeitet“, schließlich reichte das Geld aber soweit, eine eigene Produktionsfirma zu gründen, erzählt Hilke Schellmann der von Michael Rediske moderierten Podiumsrunde.

Wer es erst einmal geschafft hat, gefördert zu werden, habe es bei Folgeanträgen deutlich leichter, so ihre Erfahrung. Geduld sei allerdings bei den amerikanischen Geldgebern vonnöten, im Fall der Ford Foundation liefen die beiden Filmemacherinnen der zuständigen Person geschlagene acht Monate hinterher – letztlich mit Erfolg. Und anders als zum Teil hierzulande hätten verschiedene Förderstellen mit der Kombination ihrer Zuschüsse gar kein Problem. Ganz im Gegenteil: Die Zusage von einem in der Tasche zu haben, könne beim anderen Türen öffnen.

Unterstützung von unterrepräsentierten Themen

Dem Pulitzer Center, betonte dessen Education Director Mark Schulte, gehe es um die Unterstützung von investigativem Journalismus und globale, unterrepräsentierte Themen, wie eben unter anderem Frauenrechte. Seit 2005 können Journalisten für Rechercheprojekte solche Zuschüsse beantragen, die die gemeinnützige Organisation ihrerseits mittels Fundraising von der Bill and Melinda Gates Stiftung sowie anderen großen Förderern erhält. „Die wiederum ihre eigenen thematischen Prioritäten haben“, ergänzte Schulte.

5.000 bis 15.000 Euro betrage die Projektförderung, was zumindest einen Großteil der Kosten für den ersten Auslandsdreh abdecke. Der jedoch reicht meist nicht aus, das wurde im Podiumsgespräch deutlich. Voriges Jahr, so der Education Director, habe das Pulitzer Centre insgesamt 100 Filmprojekte unterstützt. Im Grunde mehr, als man sich mit den personellen Kapazitäten leisten könne: „Doch es fällt eben schwer, gute Vorschläge abzulehnen.“ 2013 werden es allerdings nur noch 70 bis 80 sein.

Gefördert wurde auch die Arbeit von Carl Gierstorfer (der unter anderem für Deutsche Welle tätig ist) und Laura Salm-Reifferscheidt (freie Journalistin und Buchautorin), die in Indien dem Thema der sogenannten „missing girls“ auf den Grund gingen. Allein in den letzten Jahren wurden rund zehn Millionen Mädchen entweder gezielt abgetrieben oder sie starben bereits im frühen Kindesalter an Mangelversorgung.

Das Projekt „India: No Girls for the Boys“ erzählt diese tragische Geschichte traditionsbedingt ungleicher Rechte von Töchtern und Söhnen. Dass in Indien männlicher Nachwuchs bevorzugt wird, hat gerade in den Unionsstaaten rund um die Hauptstadt Delhi zu einem problembehafteten Männerüberschuss geführt. Doch nicht nur dass: Auch dem Menschenhandel innerhalb Indiens wird Vorschub geleistet, weil heiratswillige Männer in Pubjab und Haryana Bräute kaufen wollen und die Rotlichtviertel großer Städte ständigen Nachschub brauchen.

Dass "India: No Girls for the Boys" diese Geschichte überhaupt erzählen kann, dafür hat auch die Anschubfinanzierung des Pulitzer Centers gesorgt. Mit ihr habe man „bereits eine gute Wegstrecke zurücklegen“ und vieles drehen können, betonte Gierstorfer: „Und es macht sich gut, wenn man zur Vermarktung bei den Sendern mit etwas Halbfertigem in der Tasche ankommt.“ Üppig sei die Förderung allerdings keineswegs zu nennen. Beim aktuellen Indien-Aufenthalt habe er nebenbei zum Geldverdienen noch zwei andere Themen bearbeitet. Bei "India: No Girls for the Boys" gilt dagegen, zunächst einmal „mit plus/minus Null aus der Sache rauszukommen“.

Und dabei hilft das Geld des Pulitzer Centers. Die reinen Antragsformalitäten sind Gierstorfers Erfahrung nach sehr überschaubar. Drei Seiten Projektbeschreibung, dazu der Kostenplan – nichts, was extremen Aufwand bedeute. Da es hierzulande weniger solche Förderstellen gebe als jenseits des Atlantiks, lohne der Blick in die USA allemal, betonten alle Podiumsgäste. Dass das Werk dabei für amerikanische Abnehmer produziert werde, stehe keineswegs in den Förderkriterien.

Dass sich Stipendiaten mittels ihrer Geldgeber gleich aus früheren Jobs „herauskaufen“ können wie Hilke Schellmann bei ihrer früheren Anstellung beim Wall Street Journal, kommt zwar eher selten vor. Die Veranstaltung machte den fast vierzig Interessierten im Raum aber deutlich Mut, Anträge zu stellen. Die Mahnung, Geduld und Hartnäckigkeit aufzubringen und sich auch von anfänglichen Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen, war aber die zweite klare Botschaft des Abends.

Weitere Infos finden sich auf www.pulitzercenter.org.

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