Volontärsausbildung ohne Plan

25. Oktober 2013 Herbstforum der Initiative Qualität

Im Berliner Funkhaus haben Wissenschaftler und Journalisten darüber diskutiert, was die sich rasant verändernde Medienlandschaft für die Journalistenausbildung bedeutet.

Von Matthias Kurp

Ein wesentlicher Faktor für die Qualität von Medien ist die Qualität der Journalistenausbildung. Welche Modelle aber haben sich bewährt, um sicherzustellen, dass junge Journalisten alles Wesentliche lernen, um in unserer Multimedia-Welt Inhalte professionell und kompetent zu vermitteln? Wo muss die Ausbildung verbessert und wo vielleicht standardisiert oder gar zertifiziert werden? Mit diesen Fragen setzten sich Mitte Oktober etwa achtzig Experten beim Siebten Herbstforum der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) auseinander.

Qualität sei das wichtigste Thema, „das man unter Journalisten diskutieren kann“, sagte der Intendant des Deutschlandradios, Willi Steul, bei seiner Begrüßung. Um ein hohes Niveau publizistischer Inhalte zu gewährleisten, brauchten Journalisten „mehr denn je eine fundierte Ausbildung“.

Tagungsmoderator Werner Lauff unterstrich dieses Postulat mit der Formulierung, die Ausbildung von heute entscheide über den Journalismus von morgen. Der Publizist und Medienberater gehört zu denen, die 1990 den ersten Tarifvertrag für Volontäre aushandelten. Mehr als zwei Jahrzehnte später warnte Lauff: „Lernen ohne Nachhaltigkeit führt zu Journalismus ohne Orientierung.“

In seinem Impulsreferat ging Michael Steinbrecher der Frage nach, was sich in der Journalistenausbildung verändern muss. Dabei bezog sich der Professor des Instituts für Journalistik der Technischen Universität Dortmund auf den Kompetenzkanon, der 1990 von Siegfried Weischenberg spezifiziert wurde. Zusätzlich zu Fach-, Sach- und Vermittlungskompetenz müssten im Zeitalter der digitalen Medien weitere Fähigkeiten vermittelt werden. Dazu zählte Steinbrecher Technik-, Unternehmer-, Publikums- und auch Persönlichkeitskompetenz.

"Es darf nicht beim Fach- und Sachwissen gespart werden"

Einerseits müsse mehr Ausbildungszeit in die Themen Technik, Crossmedia und Management investiert werden. Andererseits aber dürfe nicht an der Vermittlung von Fach- und Sachwissen gespart werden. „Wir dürfen nicht nur technisch versierte professionelle Vermittler ausbilden“, warnte der Journalistik-Professor und ehemalige ZDF- Moderator des Aktuellen Sportstudios. Bei der Ausbildung müsse verhindert werden, dass Aspekte der publizistischen Qualität in den Hintergrund treten.

Ebenso wichtig sei es, bei Hochschulstudiengängen die Bereiche Journalismus und Public Relations konsequent voneinander zu trennen. Für die Anpassung der Journalistenausbildung an die aktuelle Medienlandschaft empfahl Steinbrecher ein Memorandum, das auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt werden müsse.

Defizite der aktuellen Ausbildung von Journalisten wurden in Berlin deutlich, als die Volontärin Maximiliane Rüggeberg Erfahrungen schilderte, die sie bei ihrer Bewerbung um ein Volontariat machen musste. So seien ihr etwa untertarifliche Zahlung ohne die Abgeltung von Überstunden angeboten worden oder lediglich eine einjährige Hospitanz für monatlich 1000 Euro brutto, ein eigenes Auto und eine eigene Kamera vorausgesetzt.

Rüggeberg machte diese Erfahrungen in einem Blog-Eintrag öffentlich. Das Thema wurde vor einem Jahr unter anderem von Spiegel Online aufgegriffen. Schließlich meldete sich der Chefredakteur des

Nordbayerischen Kuriers. Er bot der couragierten Blog- Autorin ein Volontariat an, das Maximiliane Rüggeberg inzwischen – nach Tarif bezahlt – in Bayreuth absolviert.

"90 Prozent aller Häuser haben keinen Plan für die Ausbildung"

Neunzig Prozent aller Häuser hätten gar keinen Plan für die gezielte Ausbildung und Rekru-tierung von Nachwuchs, kritisierte Annette Hillebrand. Viele Verlage vernachlässigten das Thema Volontariat.

Die Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg warb dafür, die Personalentwicklung im Bereich Nachwuchs – zum Beispiel mit Mentorenprogrammen – zu verändern. Außer über Handwerk, Technik und Teamfähigkeit müsse auch über Fragen einer Haltung zum Beruf und über individuelle Stärken der Volontäre gesprochen werden.

Persönlichkeiten maßgeschneidert fördern

Gefragt seien keine Generalisten, sondern Persönlichkeiten, die sich zu Spezialisten entwickeln könnten, ergänzte Christian Lindner. Der Chefredakteur der Koblenzer Rhein-Zeitung betonte, es gebe kein Standard- Ausbildungsmodell. Vielmehr müssten einzelne Persönlichkeiten „maßgeschneidert“ gefördert werden.

Auch Michael Geffken mahnte, die Kultur in den Verlagen müsse sich ändern. Es fehle an einem systematischen Personalmarketing, urteilte der Geschäftsführer und Direktor der Leipzig School of Media. Darüber hinaus regte Geffken an, die Ausbildung von künftigen Journalisten angesichts der schwierigen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt so zu verändern, dass sich die Nachwuchskräfte später auch in Bereichen auskennen, die nicht originär journalistisch sind.

Volontariat allein reicht nicht

Ulrich Pätzold gehört zu denen, die in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Modellstudiengang Journalistik an der Technischen Universität Dortmund aufbauten. Der emeritierte Professor berichtete, dass heute viele Volontäre über eine schlechte Ausbildung klagen. Deshalb müsse über ein neues (duales) Modell der Journalistenausbildung nachgedacht werden. Das Volontariat allein reiche nicht aus. Ebenso wichtig seien Studium und außerbetriebliche Ausbildung.

Michael Geffken erwiderte, eine Hochschulausbildung dürfe keine bindende Voraussetzung für den Berufszugang im Journalismus sein. Inzwischen existieren in Deutschland mehr als hundert Studiengänge mit Angeboten im Bereich Journalismus. Ob diese Vielzahl ein Vor- oder Nachteil ist, blieb bei der Tagung in Berlin umstritten. Das große Angebot sei „wunderbar“, lobte Beatrice Dernbach, die an der Hochschule Bremen das Institut für Wissenschaftskommunikation leitet und Mitglied der Fachgruppe Journalismus der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) ist.

Dieses Urteil teilte die freie Journalistin Jana Lavrov: Die große Zahl spezialisierter Angebote bedeute eine große Chance für den Journalismus. Ulrich Pätzold wies hingegen darauf hin, bei vielen Anbietern fehle es an Qualität: „Alle haben hervorragende Curricula, aber nur wenige können sie einlösen.“

Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass es sinnvoll sei, sich auf gemeinsame Qualitätsstandards zu einigen. Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalistenschule in München, wünschte sich einen „Anforderungskatalog von Kernkompetenzen“ und schlug Qualitätssiegel oder Zertifikate für Ausbildungseinrichtungen vor.

Stephan Weichert, Professor für Journalistik am Campus Hamburg der Macromedia Hochschule und Mitarbeiter der Hamburg Media School, forderte ebenfalls eine „neue Qualitätsdebatte“. Er wies darauf hin, in den USA hätten die elf großen Journalistenschulen 2010/11 ihre Curricula reformiert. Wünschenswert seien auch für Deutschland ein ständiger Austausch wichtiger Institutionen über ihre aktuellen Curricula und eine stetige Innovationsbereitschaft.

Publikum und seine Bedürfnisse erforschen

Wer an Hochschulen forsche, sorge automatisch für Innovationen, lautete die These von Klaus Meier. Der Journalistik-Professor der Katholischen Universität Eichstädt-Ingolstadt konkretisierte, wichtig seien Innovationen und empirische Forschung, die sich „dicht am Berufsalltag“ orientierten. Dabei komme es auch darauf an, dass Studierende lernen, das Publikum und seine Bedürfnisse zu erforschen.

IQ-Sprecherin Ulrike Kaiser bilanzierte am Ende des Siebten IQ- Herbstforums, dass es nun darauf ankomme, die aufgezeigten Reformvorschläge für Volontariat und Hochschulausbildung systematisch zu bündeln. Der Deutsche Journalisten-Verband und die DGPuK hätten bereits im Frühjahr vereinbart, die Ausbildungsdebatte zu verstetigen. „Journalistische Aus- und Weiterbildung hat keine Lobby. Wir sollten diese Lobby schaffen“, gab sie den Tagungs- teilnehmern mit auf den Weg.

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