Neuer Blick auf die Puppenallee

7. November 2016

Von Egbert Steinke

Rund 600 Politische Denkmäler sind in Berlin erfasst. Sie erinnern an prominenten Plätzen stolz oder mahnend an die Vergangenheit oder zeugen im Museum von einer längst verflossenen Zeit. Manche stehen auch vergessen in der Abstellecke. Mit der neuen Ausstellung "Enthüllt - Berlin und seine Denkmäler" zeigt die Sammlung im frisch restaurierten Proviantmagazin der Zitadelle Spandau markante Stücke aus der Berliner Denkmalslandschaft. Das Kompetenzteam Generation+ besuchte diese brillante, aber etwas verborgene Schau am 26. Oktober 2016 und sprach mit der Sammlungsleiterin Carmen Mann. 16 Kolleginnen und Kollegen waren bei dieser Entdeckertour dabei. Politische Denkmäler sind historische Zeugnisse. Man hat sie errichtet, um Macht zu demonstrieren oder Parolen der Erinnerung zu setzen. Sie bergen stets Konfliktstoff, wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. In Berlin kann man dies besonders gut nachvollziehen. Nur wenige Denkmäler stehen hier noch an ihrem ursprünglichen Ort. Viele wurden versetzt, in Depots verbannt, beschädigt, vergraben, verschrottet oder sonst wie zerstört. Oder sie sind einfach verschollen. Die Schau in der Zitadelle konzentriert sich besonders eindrucksvoll auf die Siegesallee im Tiergarten, die zwischen dem Kemperplatz und dem heutigen russischen Ehrenmal mit immerhin 32 Figurengruppen aus weißem Marmor entlangführte. Diese als Imponiergeste des deutschen Kaiserreichs empfundene, riesige Figurenkollektion großer Herrscher hieß bei den Berlinern respektlos die Puppenallee. Die Puppen waren 1945 bei der Schlacht um Berlin stark beschädigt und teilweise nach dem Krieg zur Konservierung hinter dem heutigen Schloss Bellevue vergraben worden. Dann tauchten sie wieder auf - von Albrecht der Bär bis Kaiser Wilhelm I. Nach Spandau kamen sie aus dem Bestand des Lapidariums am Halleschen Ufer. Für die NS-Zeit 1933 bis 1945 stehen der Bildhauer Arno Breker und sein "Zehnkämpfer" oder die Bauformen der "Reichshauptstadt Germania" in der Ausstellung. Für die Epoche des zweigeteilten Berlin ist eindeutig der Kopf des Lenin-Denkmals am einstigen Leninplatz in Friedrichshain von Nikolai Wassiljewitsch Tomski - wegen der Filmgroteske Good bye Lenin! - der Publikumsmagnet. Der Leninkopf war übrigens im Müggelforst verbuddelt. Man darf gespannt sein, ob und was in der Zukunft an Fundstücken aus den verschiedenen Epochen noch dazukommt - wie etwa die im Jahr 2015 in Süddeutschland bei einer Hehlerbande aufgefundenen Nazi-Bronzen, die vor der ehemaligen Reichskanzlei in Berlin und in deren Garten standen bzw. aus der Werkstatt der NS-Bildhauer Breker, Klimsch und Thorak stammten. Diese Werke hatten sich bis 1988 auf dem Gelände einer sowjetischen Kaserne bei Eberswalde befunden.

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