"Mitleid zieht bei Honorarverhandlungen nicht"

19. Oktober 2013 I Zweiter Ostdeutscher Journalistentag

Der Vorsitzende des DJV Berlin erklärt beim Zweiten Ostdeutschen Journalistentag in Leipzig, wie man als Selbstständiger in der Medienbanche wirtschaftlich erfolgreich arbeitet. Und was man auf gar keinen Fall machen darf.

Für Mutti kann man umsonst arbeiten. In allen anderen Fällen sollte man in der Regel nein sagen. Jessica Hische, eine junge Typografin und Illustratorin aus Brooklyn, New York, hat 2011 eine Frage- Antwort-Übersicht entworfen, auf der man diverse Szenarien ausprobieren kann. Zusammengefasst gesagt sollte man sich vor allem hüten, dass einem kein Geld einbringt, selbst, wenn die Arbeit für einen guten Zweck ist. Denn arbeiten die Leute dort und alle anderen Beteiligten auch umsonst? Kaum. Bernd Lammel, Vorsitzender des DJV Berlin, griff dieses Beispiel auf bei seinem Vortrag „Honorare richtig verhandeln“ auf dem Zweiten Ostdeutschen Journalistentag in Leipzig. Begleitet wurde Lammels Auftritt von zwei Improvisationskünstlern, doch dazu später.

Zuerst einmal zählte Lammel Selbstverständlichkeiten des professionellen, selbstständigen Arbeitens auf. Dazu gehört unter anderem eine klare Absprache bei Aufträgen (Umfang, Honorar etc.) bevor man anfängt, aber auch eine professionelle Abwicklung (Auftragsbestätigung, Lieferschein, Rechnung, ggf. Mahnung) und Präsenz im Netz. Außerdem sollte man wissen, was Mitbewerber für Honorare bekommen und durchrechnen, was man zumindest umsetzen muss, um langfristig wirtschaftlich gut aufgestellt zu sein. „Man muss immer wieder neu seine Leistung einschätzen. Und damit auch seine Honorare“, sagte Lammel.

„Wenn man es beim ersten Mal verpatzt hat, ist es vorbei“

Wichtig sei es, seine Alleinstellungsmerkmale zu kennen und zu betonen, um zu wissen, wo es Nischen gibt. „Wenn ein Redakteur nicht die Stärken von einem kennt, kann er einen auch nicht zielgerichtet beauftragen. Die entscheidende Frage sei: Werde die eigene journalistische Leistung in Redaktionen gebraucht? „Beobachten Sie genau, wo Sie Ihren Auftraggeber entlasten können. Eine Ware, die niemand braucht, kann man auch nicht verkaufen. Bieten Sie auch Technologien an, die Mitbewerber nicht im Portfolio haben.“

Besonders heikel seien Honorarverhandlungen, so Lammel. „Wenn man es beim ersten Mal verpatzt hat, ist es vorbei. Man muss ein harter Hund sein. Mir ist das zehn Jahre lang schwergefallen.“ Doch ein zögerliches Auftreten und herantasten sei gefährlich. „Wenn der Auftraggeber weiß, dass man unbedingt veröffentlicht werden möchte, zahlt er vielleicht nur den halben Preis.“ Man könne aber mit dem Honorar entgegenkommen, wenn beispielsweise mehrere konkrete Aufträge vereinbart würden – schriftlich natürlich, vage mündliche Zusicherungen möglicher Aufträge seien nichts Wert. Eine große Mahnung gibt Lammel noch mit auf den Weg: „Zetteln Sie keine Diskussion über die prekäre Situation des Journalismus ein. Mitleid zieht nicht. Sie nerven nur und bekommen gar keine Aufträge mehr.“

Begleitet wurde Lammel bei dem Vortrag von den Improvisationskünstlern Andreas Grasse und Tobias Großmann. In drei kurzen Theaterszenen über Lammels Rede verteilt spielten sie den Weg ins erfolgreiche Freiberuflertum durch. Es beginnt mit einer Büroszene. Moritz, so hieß die Figur, ist unzufrieden mit seinem Redakteursjob. Er möchte große Reportagen schreiben, sich verwirklichen. In der nächsten Szene arbeitet Moritz nun als Freier und wirtschaftlich am Abgrund, froh über jede 40 Euro, die er verdienen kann (hier die Youtube-Videoszene). Zum Schluss hat er sich mit anderen Leuten zusammengetan und ein Pressebüro gegründet. Er bietet nun Unternehmen Presse- Leistungen im Paket an und kann Aufträge in ganz anderer Größenordnung stemmen (zweite Szene).

Das Beispiel zeigt aber auch, dass man sich Gedanken machen sollte, ob und inwieweit Arbeit für Unternehmen die freie journalistische Tätigkeit ergänzen kann (oder wirtschaftlich notwendig ist) und inwieweit sie mit ihr vereinbar ist. (Jan Söfjer)

Newsletter

Cookie Einstellungen