Mediensalon: Deutsche sind Skeptiker

26. Oktober 2018

Von Inga Dreyer

Wie digitalisierungsfreundlich ist das Deutschland und welche Rolle spielen die Medien dabei? Bei der Oktober- Ausgabe des Mediensalons steht die Akzeptanz neuer Technologien im Mittelpunkt – auch bei Journalistinnen und Journalisten.

Deutsche gelten als wenig euphorisch, was die fortschreitende Digitalisierung angeht. Stimmt das – oder ist das ein Vorurteil? Schwer zu sagen, denn Studien zu dem Thema seien meist lokal fokussiert und selten zeitnah verfügbar, sagt Friedrich Pohl, Leiter des Kommunikations-Bereichs beim Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation in Berlin. Deswegen hat das Institut eine eigene Studie in Auftrag gegeben. Beim Mediensalon am 24. Oktober, dieses Mal zu Gast bei Vodafone, wurde der erste Teil der Ergebnisse vorgestellt.

Historisch bedingte Angst vorm Datensammeln

Das Marktforschungsunternehmen Ipsos hat mehr als 9.000 Menschen in neun Ländern befragt: die USA, China, Indien, Deutschland, Italien, Schweden, Spanien, Großbritannien und Bulgarien. Die Ergebnisse zeigten, dass die Digitalisierung in allen diesen Ländern positiv gesehen werde, sagt Liane Stavenhagen, Research Executive bei Ipsos. Es zeigt sich aber auch: Deutsche sind im Vergleich zurückhaltend – ob es nun um vernetzte Fahrzeuge, digitale Verwaltung oder Telemedizin geht.

„Deutsche sind Skeptiker“, sagt Laura Wolffs, Senior Research Executive bei Ipsos. Einfach mal etwas auszuprobieren: „Das ist nicht besonders deutsch.“ Zwar gäbe es Tech-Start-Ups im Land, aber was die persönliche Ebene betreffe, seien die Deutschen kritisch. Die persönliche Ebene bedeutet vor allem: das Sammeln von Daten. Diese Angst sei in Deutschland historisch begründet, erklärt die Wissenschaftlerin.

Sowohl der öffentliche Diskurs als auch persönliche Erfahrungen, der Entwicklungsstand der Digitalisierung als auch die soziokulturelle Prägung beeinflussten die Akzeptanz neuer Technologien. In Ländern mit voranschreitender Digitalisierung nehme die Skepsis eher zu. „Mit mehr Wissen bekommt man einen klareren Blick“, sagt Laura Wolfs.

Der Gender-Gap ist in den USA und Deutschland besonders groß

Am euphorischsten zeigen sich die Befragten aus Indien und China. Auch das habe mit persönlichem Erleben zu tun, erläutert Wolfs. „Man kann sagen, dass die Digitalisierung den Menschen einen Quantensprung im alltäglichen Leben gebracht hat.“

Dr. Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Forschungsbereichs „Politik, Gesellschaft und Medien“ beim Mercator Institute for China Studies erklärt jedoch, dass auch in China ein immer größeres Bewusstsein für Fragen des Datenschutzes herrsche. Was Europa von China lernen könne, sei, Technologien erst einmal offen zu begegnen und als wertneutral anzusehen.

China ist das einzige Land der Studie, in dem Frauen neuen Technologien gegenüber positiver eingestellt sind als Männer. Am größten ist der Gender-Gap in Deutschland und den USA, wo Frauen viel kritischer sind. Das erklären die Autorinnen der Studie unter anderem damit, dass es in beiden Ländern nur sehr wenige weibliche Vorbilder im Tech-Bereich gibt.

Digitalisierungs-Muffel und –Enthusiasten auch im Journalismus

Wie aber sieht es im Medienbereich aus? Wie digitalisierungsaffin sind deutsche Journalistinnen und Journalisten? Wie wirkt sich das auf den öffentlichen Diskurs aus? Diese Fragen stehen bei der anschließenden, von WELT- Redakteur Johannes Altmeyer moderierten Diskussionsrunde im Mittelpunkt.

In den Medien scheint es zu sein wie überall sonst in der Gesellschaft. „Es gibt Enthusiasten und Verweigerer“, sagt Christoph Dernbach, Leiter des Netzwelt-Ressorts der Deutschen Presse-Agentur. Angebote rund um Digitalisierungsthemen würden von den Kunden –Medien in ganz Deutschland – gerne genutzt. Dabei seien kritische Artikel genauso gefragt wie Vorstellungen neuer Produkte.

Auch Miriam Olbrisch, Bildungsredakteurin beim Spiegel, sagt, dass sich die Digitalisierungsfreundlichkeit ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht verallgemeinern lasse. Sie selbst nimmt einen klaren Standpunkt ein. „Im Moment überwiegen für mich die Chancen.“ Als sie sich in einem Leitartikel dagegen ausgesprochen hat, Handys an Schulen zu verbieten, habe ihr das Kritik eingebracht. „Danach ist ein Kübel von Hass über mir ausgeschüttet worden.“ Die nachfolgende Titelgeschichte „Mein Kind, sein Handy und ich – Vom richtigen Umgang mit der Generation Smartphone“ sei jedoch sehr positiv aufgenommen worden.

Digitalisierung ist ein Thema, das Leserinnen und Leser beschäftigt. Aber auch die Redaktionen müssen sich damit auseinandersetzen – schon alleine bei der Frage, ob Inhalte gedruckt oder online veröffentlicht werden. Der Spiegel als traditionelles Printmedium stellt inzwischen alle Heftinhalte über das Abo-System „SPIEGEL+“ auch online zur Verfügung.

Das eher für seine unterhaltenden Inhalte bekannte Portal BuzzFeed hingegen hat auch eine News- Sparte mit exklusiven Themen und Berichten eingeführt, wie Anna Aridzanjan, Head of Entertainment von BuzzFeed Germany erläutert. BuzzFeed setzt darauf, über Social-Media-Kanäle eine große Nähe zu seinen Leserinnen und Lesern zu pflegen.

Wunsch nach positiverer Berichterstattung

Daran könnten sich auch mehr Behörden ein Beispiel nehmen, sagt Christiane Germann, Social Media-Beraterin in Bereichen wie öffentliche Verwaltung und Politik. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass oft auch junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden skeptisch in Bezug auf soziale Medien sind. „Mein Eindruck ist schon, dass die Medien da eine Rolle spielen.“ Sie wünsche sich deshalb, dass stärker die positiven Aspekte von Digitalisierung in der Berichterstattung beleuchtet werden.

Um diesen Eindruck zu überprüfen, bräuchte es wohl eine weitere Studie. Beim Mediensalon jedenfalls dominieren positive Einstellungen gegenüber der Digitalisierung. Anna Aridzanjan unterstreicht die „unfassbar große Freiheit, die sie mit sich bringt“, und Miriam Olbrisch spricht von der Fülle an frei zugänglichen Informationen. „Das macht uns alle sehr mündig.“

mediensalon ist eine Veranstaltungsreihe von #mekolab in Kooperation mit
Deutscher Journalistenverband DJV Berlin e.V., Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di. Die nächste Diskussionsrunde findet am 28. November bei der taz, Friedrichstr. 21, statt.

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