Mauerfall: „Ein demokratischer Aufbruch in Europa“

19. November 2014 I Ein Kommentar von Alexander Czekalla

Pünktlich zum 25. Jubiläum des Mauerfalls hatte der DJV Berlin gemeinsam mit dem Märkischen Presse- und Wirtschaftsclub (MPW) zum Gesprächsabend „25 Jahre Mauerfall“ zwei Politiker eingeladen, deren Laufbahn und Blick auf die Ereignisse des Mauerfalls kaum unterschiedlicher sein könnten. Der eine war der ehemalige Regierende Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen (CDU). Der andere: der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dr. jur. Gregor Gysi. Wie haben beide Politiker die politische Wende der DDR erlebt? Wie hat sie ihr eigenes Leben verändert? Wie beurteilen die beiden Antipoden die Ereignisse vom November 1989 heute? Fragen, auf die Moderatorin Caroline Methner leider kaum Antworten erhielt. Diepgen: „Demokratisierung vergleichbar mit 1848“ Diepgen baute gleich zu Gesprächsbeginn vor: „Ich möchte Sie nicht langweilen und Ihnen die Entwicklungen im November 1989 nicht anhand meines persönlichen Erlebens schildern“. Doch dann gab Diepgen doch ein wenig von seiner persönlichen Perspektive preis. Seine Erwartung sei stets mit der „Option für eine Wiedervereinigung gefüttert gewesen“; dennoch hätten ihn „die sich überschlagenden Ereignisse überrascht“. Ganz staatsmännisch resümierte der ehemalige Landesvorsitzende der Berliner CDU und ehemalige Regierende Bürgermeister Berlins, das Jahr 1989 sei „im europäischen Demokratisierungsprozess vergleichbar mit dem Jahr 1848“. Emotional wichtiger als der 3. Oktober 1989 war für den CDU-Politiker Diepgen aber „der Abzug der Russen im Jahr 1994“. Insgesamt war der Fall der Mauer in Diepgens Rückschau der Beginn eines „demokratischen Aufbruchs in Europa“. Gysi: Todesschüsse werden vergessen Während Diepgen die große Politik umschrieb, bleibt Gysi gern im Persönlichen. „Ich habe mich oft in meinem Leben geirrt. Zwei Mal besonders schwer sogar“, gestand er, der von 1988 bis 1989 nicht nur Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte in Ost-Berlin war, sondern auch Vorsitzender des Rates der Vorsitzenden der Rechtsanwalts-Kollegien der DDR. „Das eine Mal, da war ich 13 Jahre alt: als die Mauer gebaut wurde“, so Gysi. „Da dachte ich, dass das nur für eine kurze Zeit so bleiben würde“. Das zweite Mal irrte sich der Links-Politiker im Jahr 1989, als er davon ausging, dass die Sowjetunion die DDR nicht aufgeben könne. Seit dem 17. Dezember 2013 ist Gysi Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Ob und wie häufig er sich auch heute bei so wichtigen Einschätzungen noch irrt, wurde an diesem Abend nicht diskutiert. Gysi betonte, dass ihn eines heute erschreckt: „Dass sich viele Menschen, vor allem junge, kaum noch vorstellen können, dass es eine innerdeutsche Grenze gegeben hat, an der auf Menschen geschossen wurde“. Journalistisch vertane Chancen Was ebenfalls erschrecken konnte an diesem Abend, war, dass Gysi in gewohnter Manier mit politischen Floskeln und in appetitlich-unterhaltsamen Rhetorik-Häppchen seinen ganz eigenen Blick auf die Geschichte durchbringen konnte, ohne dass ihn die Moderatorin dabei ernstlich hinterfragt hätte. Dass der bedächtige Redner Diepgen kaum Redezeit erhielt. Willkommen in der Demokratie – Herr Gysi.

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