Klare Kante oder Umarmung? - Mediensalon zum medialen Umgang mit der AfD

30. März 2018

Provokante Talkshow-Auftritte, menschenverachtende Posts, Personalstreitigkeiten – die AfD verschafft sich viel Aufmerksamkeit in den Medien. Für Journalistinnen und Journalisten stellt sich die Frage: Wie umgehen mit dieser Partei? Mit besonders kritischem Blick, mit besonderer Vorsicht? Provokante Äußerungen ignorieren oder Stellung beziehen? Über diese Fragen und Herausforderungen haben die Teilnehmerin und die Teilnehmer des zweiten Mediensalons in diesem Jahr im taz-Café diskutiert.

„Erst einmal offen auf die Leute zugehen“

Mindestens 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland haben bei der Bundestagswahl im letzten Jahr die AfD gewählt. Mit dieser Erinnerung leitet Tina Groll, Redakteurin bei Zeit Online, den Mediensalon ein. Damit sei es zwar immer noch ein Randphänomen, aber man müsse dennoch schauen, wie man damit umgeht. Laut Groll gibt es dabei zwei Strategien: die klare Kante und die Umarmung, das Einspannen derer, die nach rechts geraten sind.

Klare Kante oder Umarmung? Maria Fiedler, politische Korrespondentin beim Tagesspiegel, berichtet von ihrer Strategie im Arbeitsalltag mit der AfD: „Auf menschlicher Ebene versuche ich es wie bei jeder anderen Partei auch zu machen.“ Als die AfD in den Bundestag kam, habe sie sich zunächst ein Netzwerk aufbauen müssen. „Mein Ansatz war dabei, erstmal offen auf die Leute zuzugehen.“ Matthias Kamann aus dem Politik-Ressort von Die Welt verfolgte eine ähnliche Strategie und stellte dabei fest: „Auf der menschlichen Ebene funktioniert es erstmal gar nicht so schlecht. Die meisten Menschen sind im Gespräch eigentlich ganz nett – von denen, die mit einem reden. Sie erzählen nur eher etwas weniger, als es in anderen Parteien der Fall ist.“

„Schon wieder über das Stöckchen springen?“

Genau in dieser Verschlossenheit liege ein Problem. Kamann bemängelt: „Wenn man eine Berichterstattung machen möchte, kommt man an sachliche Themen kaum ran.“ Der Großteil der thematischen Diskussionen in der Partei finde hinter verschlossenen Türen in Fachausschüssen statt. Das mache es für Journalistinnen und Journalisten schwer, über die AfD so zu berichten, wie sie es über andere Parteien tun würden.

„Die AfD möchte ja auch nicht diskutieren“, wendet Stefan Lauer von belltower.news, dem Watchblog der Amadeo Antonio Stiftung ein. „Es geht im Rechtspopulismus nicht darum, wer das bessere Argument hat, sondern darum, wer am lautesten schreit.“ Er vertritt daher die Meinung: „Hinter den Provokationen steht eine Strategie.“ Kurze, harte Slogans statt langer Sätze, politische Inkorrektheit – das sei genau geplant. Medienaufmerksamkeit sei dabei natürlich auch ein Ziel. Also besser ignorieren? Lauer weiß, dass es bei derart menschenverachtenden Äußerungen schwierig ist, nicht zu reagieren. Zugleich verschaffe man der AfD durch permanentes Reagieren jedoch noch mehr Aufmerksamkeit. Auch Fiedler kennt diesen Konflikt. In der Redaktion gäbe es immer wieder Diskussionen, man frage sich häufig: „Sollen wir schon wieder über das Stöckchen springen?“

„Die Überforderung war mit Händen zu greifen“

Per Leo, Autor von „Mit Rechten Reden“, hat diese Unsicherheit vor allem in der Anfangszeit der AfD beobachtet: „Die Überforderung der Journalisten war geradezu mit Händen zu greifen.“ Dies habe beispielsweise bei Interviews zu Fehlern geführt: Duell-Situationen gepaart mit schlechter

Vorbereitung und Überheblichkeit seitens der Interviewenden führten zum Teil zu Selbstläufern für die AfD. Eine Beobachtung, die auch Christoph Giesa, Publizist und Autor von „Gefährliche Bürger“ immer wieder gemacht hat. Insgesamt wirft er den Medien große Versäumnisse in der Anfangszeit der Partei vor: „Es wurden Narrative in die Welt gesetzt und von den Medien weiterverbreitet, ohne sie zu überprüfen.“ Die Redakteurinnen und Redakteure hätten einfach nicht mehr die Zeit, hinter die Kulissen zu schauen, kritisiert er.

Auch Leo meint, die meisten Menschen suchten immer nur nach Äußerungen und Vorfällen, die das Bild der AfD bestätigen, dass sie sich bereits gemacht haben. Vor einer präzisen Beschreibung der Partei und ihrer Hintergründe drücke man sich hingegen. Diese Suche nach „krassen Zitaten“ kennt Kamann aus dem Journalistenalltag. Er kritisiert, dass viele in der Branche mit Vorbehalten an die Partei herangingen. Die Erwartungshaltung spiele eine große Rolle, wie er bei seiner Berichterstattung vom Bundesparteitag in Hannover bemerkte: „Ich hatte das Gefühl, man erwartet von mir als Journalist, dass ich jetzt krasse Zitate bringe.“ Auch Fiedler beobachtet: „Manchmal hangelt sich die Berichterstattung von einer Empörungsspirale in die nächste. Wir müssen noch einen Weg finden, wie wir damit umgehen.“ Aus den Anfangsfehlern sei die Branche immer noch nicht richtig schlau geworden.

Den Lesern zeigen, womit man konfrontiert ist

Aber vielleicht doch ein bisschen? Wie geht man nun am besten mit der AfD um? Laut Kamann ist es wichtig, transparent zu arbeiten und den Leserinnen und Lesern klarzumachen, mit welchen Problemen man konfrontiert ist. Die Zusammenarbeit mit seinen Kolleginnen und Kollegen – beispielsweise aus den Bereichen Flüchtlingspolitik, Rechtsextremismus und Wirtschaft – helfe ihm zudem. Leo betont, Journalistinnen und Journalisten dürften sich bei ihrer Arbeit nicht nur auf die Partei und ihre Vertreterinnen und Vertreter beschränken. Stattdessen sei eine gewisse Reflexivität – in Hinblick auf den Journalismus, die eigene Arbeit und den Umgang mit der AfD – wichtig. Man müsse zudem auch thematisieren, dass die Provokationen der Partei Teil ihrer Strategie seien – das Ganze auf einer Metaebene betrachten und beschreiben. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung – so scheint es – wurde an diesem Abend getan.

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