„Jede Seite eines Konfliktes anhören“

14. November 2013 I Berichterstattung aus Syrien

Beim DJV Berlin wurde gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen diskutiert, ob eine objektive Berichterstattung aus Kriegsgebieten überhaupt möglich ist. Selten zuvor waren Journalisten so gezielten Angriffen ausgesetzt wie aktuell in Syrien. Vor der Diskussionsrunde wurden Alexander Czekalla und Philipp Blanke als neue Fachausschuss Junge-Vorsitzende gewählt.

Von Alexander Czekalla

„Journalismus im Bürgerkrieg - Berichterstattung aus Syrien“ war das Thema des Gesprächsabends organisiert vom Fachausschusses Junge des Deutschen Journalisten Verbands (DJV) Berlin in Zusammenarbeit mit Reporter ohne Grenzen. In der Geschäftsstelle des DJV diskutierten am 12. November der syrische Journalist Majid al-Bunni, Moderator des syrischen Exil-Radiosender Baladna FM, der junge Kriegsberichterstatter Martin Lejeune sowie Christoph Dreyer, Pressereferent Reporter Ohne Grenzen (ROG) Deutschland. Moderiert wurde der Abend von Beate Fichtner und Alexander Czekalla.

Journalisten riskieren während eines Auslandseinsatzes in Krisen- und Kriegsgebieten stets Freiheit und Leben. Doch selten zuvor waren Medienvertreter in einem Konflikt so gezielten Angriffen ausgesetzt wie aktuell in Syrien.

100 Journalisten getötet

Christoph Dreyer (ROG) mahnte: „Im syrischen Bürgerkrieg sind inzwischen mehr als 100 Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden. Wie viele sich in Haft oder Gefangenschaft befinden ist unklar“. Syrien sei daher „das derzeit gefährlichste Land der Welt für Journalisten und Medienaktivisten“. Auch ein Kollege des jungen Internet-Aktivisten al-Bunni wurde bereits getötet, die Server des Internet-Radio- Senders Baladna FM würden ständig von Hackern angegriffen. Das Auswärtige Amt warnt ebenfalls eindringlich vor Reisen nach Syrien. Trotzdem bereist Martin Lejeune immer wieder das Land. Explizit erzählte er über seine Reisevorbereitungen und unter welchen Bedingungen er als freier Journalist aus dem syrischen Bürgerkrieg berichtet.

Ein zentraler Aspekt der Diskussion ging der Frage nach, wie und ob eine objektive Berichterstattung überhaupt möglich ist. Lejeune, der seit 2011 als freier Nahost-Korrespondent der Zeitung taz, sowie als Fotograf für dpa sowie AFP tätig ist, bereist Syrien seit 2002. Er gehört zu den wenigen deutschen Journalisten, die derzeit aus Syrien berichten.

Größtmögliche Objektivität versuche Lejeune aufrecht zu erhalten indem er nur Informationen einbeziehe, die er selbst vor Ort recherchiert hat: „Was sind meine Eindrücke? Was habe ich gesehen und gehört? Wie ist meine Einschätzung? Das ist was meine Arbeit glaubwürdig macht.“ Schließlich arbeite er nicht „wie die ARD mit verwackelten Videobildern, die vom Schreibtisch aus Hamburg aus recherchiert werden“.

"Ein objektives Bild zu erhalten ist nahezu unmöglich"

Wichtig sei es dennoch, unterstrich Dreyer, sich gewahr zu sein, dass man als Journalist nur über eine Seite des Konflikts berichten könne: „Sich ein umfassendes Gesamtbild zu verschaffen ist nahezu unmöglich und ein objektives Bild zu erhalten auch.“ Al-Bunni stammt aus Homs, reiste über China nach Europa und kennt beide Seiten der medialen Front. In seiner alten Heimat war er während seines Studiums rund zwei Jahre beim staatlichen Fernsehen beschäftigt. Dort habe er „überhaupt nicht journalistisch gearbeitet“ und gerade deshalb sei sein zentrales Anliegen heute, möglichst unvoreingenommen zu berichten. Dazu gehöre seiner Meinung nach vor allem, dass man „jede Seite eines Konflikt anhören“ müsse.

Bereits vor der Diskussionsrunde fanden die Wahl zum Vorsitz des Fachausschusses Junge Journalistinnen und Journalisten des DJV Berlin statt. Zum neuen Vorsitzenden des Fachausschusses wurde Alexander Czekalla (freier Journalist, Portraitbild links) gewählt. Zum Stellvertreter wurde Philipp Blanke (freier Journalist) gewählt.

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