7. Oktober 2012 I Ostdeutscher Journalistentag

Investigativ-Ressorts sind in Mode, doch teuer. Und es bleibt die Angst, sich Ärger einzuhandeln oder Anzeigenkunden zu verlieren. Auf dem Ostdeutschen Journalistentag ging es um den Kampf gegen die Wahrheit und wer sich investigativen Journalismus noch leisten kann.

Sie dachten schon, sie seien paranoid. Doch dann drehte der BMW mit den abgedunkelten Scheiben, hielt an und vier kräftige Männer bauten sich vor Arndt Ginzel und Thomas Datt auf – Zivilfahnder vom Landeskriminalamt. Die beiden freien Leipziger Journalisten recherchierten im sogenannten Sachsensumpf über mögliche Verstrickungen von hohen Amtsträgern in kriminelle Geschäfte und deren Verbindungen ins Rotlichtmilieu. Es sollte nicht lange dauern, bis Datt und Ginzel selber auf der Anklagebank sitzen. Vorwurf: Verleumdung.

Nicht selten passiert es jedoch, dass Journalisten zu kritischen Themen erst gar nicht berichten. Auf dem Ostdeutschen Journalistentag diskutierte eine von Carla Kniestedt moderierte Runde über den „Kampf gegen die Wahrheit“ und die Frage: Wer kann sich investigativen Journalismus noch leisten?

Thomas Datt gestand auf dem Podium: „Wir hatten zwar die absolute Freiheit, die Recherchen hätten aber nicht mehr lange so weiter gehen können. Sonst hätten wir nachts einen Pförtnerjob machen müssen.“

Marcus Engert, Redaktionsleiter von detektor.fm, einem Internetradio Leipzig, sagte, im Radio sei es selten geworden, dass Grundrecherche gemacht würde. Auch im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. „Es bezahlt einem keiner, einfach mal irgendwo hinzufahren und sich umzuhören.“ Und als freier Journalist sei auch irgendwann der Tag da, „an dem Du Dir ein Auto kaufen möchtest“. Ganz davon zu schweigen, wenn man eine Familie ernähren müsse.

Nina Plonka hat das Glück beim stern zu arbeiten, der sich ein Investigativ-Ressort leistet. Plonka ist der Auffassung, dass Teamleistung im investigativen Journalismus wichtig sei. „Wir nehmen es oft mit großen Apparaten auf. Also warum sollten wir nicht auch auf unserer Seite die Kompetenzen und Erfahrungen bündeln und die Stärken des Teams nutzen, um schwierige Sachverhalten zu recherchieren?“, fragte Plonka.

Arndt Ginzel bestätigte das: „Die PR-Maschinerie agiert immer versierter und professioneller und hat immer mehr Mittel zur Verfügung.“ Sein Kollege Datt bemängelt, dass die Experten in der Presse fehlen. „Ich habe viele Kollegen, die einfach nur die Seiten vollschrubben müssen. Aber auch beim Fernsehen berichtet man ungern über Themen, über die man kein endgültiges Urteil fällen kann. Dann heißt es: Naja, ist doch hypothetisch, da warten wir mal.“ Stattdessen würden viele normale Geschichten skandalisiert.

Kniestedt bemängte, oft seien Themen wie zum Beispiel der Berliner Flughafen kein Thema, dann ist plötzlich das Thema in den Medien und alle wollen davon gewusst haben. Ein Journalist aus dem Publikum sagte: „Wenn ich investigativ angehauchte Geschichten anbiete, höre ich oft: 'Ne, ist uns zu heikel.'“ (js)

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