"Ein unbegreiflicher Verlust"

1. März 2012 I Trauerrede für Gabriele Fromm

Gemeinsam mit der Familie nahmen am 1. März mehr als hundert Trauergäste in der Kapelle des Zehlendorfer Waldfriedhofs Abschied von Gabriele Fromm, der Schatzmeisterin des DJV Berlin. Die Fotografin zeichnete sich vor allem durch tiefen Respekt vor den Menschen, die sie portraitierte, aus. Eine Trauerrede von Bernd Lammel, dem Vorsitzenden des DJV Berlin.

Das erste Mal traf ich Gabriele Fromm im Dezember 1989 - als das Brandenburger Tor offiziell wiedereröffnet wurde. Es regnete in Strömen und wir standen nebeneinander auf Aluminiumleitern, um an gute Motive zu kommen, während das Regenwasser in die Sucher unserer Kameras kroch. In den folgenden Wochen sollten wir uns noch oft entlang der ehemaligen Berliner Mauer begegnen. In den Jahren danach noch öfter im Berliner Journalistenverband.

Gabriele fiel in der Männerdomäne der Berliner Fotografen nicht nur dadurch auf, sich unkonventionell zu kleiden, sondern auch mit ihrem Geschick Aggressionen abzubauen, wenn bei Presseterminen zwei Dutzend ungeduldige Fotografen, um das beste Bild kämpften. Denn eigentlich sind die Berliner Bildjournalisten eine ziemliche homogene Gruppe. Die meisten fühlen sich ohne viele Worte zusammengehörig. Man kennt sich und man hilft sich. Im Fachausschuss der Bildjournalisten im Deutschen Journalisten-Verband gab es immer einen großen Zusammenhalt und einer der wichtigsten Anker in dieser Gemeinschaft war Gabriele Fromm.

Ihr Handwerk hatte sie im Lette-Verein gelernt und nach dem Studium des Journalismus dieses Genre nie verlassen, auch nicht als ihre feste Bindung an die Berliner Morgenpost verloren ging, weil die Redaktion bei den freien Fotografen sparte. Neugierig beschritt sie das Gebiet der digitalen Fotografie an der Jahrtausendwende, nicht nur technisch, sondern immer mit einem zutiefst menschlichen Verständnis und der Sehnsucht Unbekanntes mit der Kamera sichtbar zu machen. Respekt vor den abgebildeten Menschen war ihr Erfolgsrezept. Journalistisch war ihr Blick nach Osten gerichtet. Polen, das Baltikum und Weißrussland wurden immer häufiger Ziele ihrer Reportage- Reisen. Neben ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Deutschen Journalisten-Verband hat sie sich im Verbund von Osteuropa-Korrespondenten, in der Agentur n-ost, einen guten Namen gemacht. Ihre letzte Reise machte sie im vergangenen Jahr mit n-ost nach Minsk.

Ganz eng habe ich mit ihr vor drei Jahren in einem Projekt zur Digitalisierung bislang unveröffentlichter Fotografien vom Fall der Berliner Mauer zusammengearbeitet – zum 20. Jahrestag. Gabriele überlegte schon damals was wir beim 25-jährigen Jubiläum besser machen könnten. Wir hatten uns gemeinsam darauf gefreut und nicht geahnt, dass sie daran nicht mehr mitarbeiten kann.

Oft haben wir uns gefragt, woher die Frau mit den hellwachen Augen ihre Kraft nahm, wie sie familiäre, berufliche und ehrenamtliche Situationen zu einem Ganzen werden ließ. Ihre Tochter Palle nahm sie mit zu Interviews in den Bundestag oder, wenn es keine andere Betreuung gab, zu Redaktionssitzungen. Im DJV Berlin wurde Palle ganz selbstverständlich ein gern gesehener Gast.

Ihre Stärken spielte Gabriele Fromm immer dann aus, wenn andere bereits jeglichen Optimismus verloren hatten. Als vor sieben Jahren unserem Verband das Aus drohte, stand sie mit fester Stimme am Rednerpult und sprach ermunternde Worte. Als andere schon resigniert aufgegeben hatten oder uns verließen, war sie bereit, in verschiedenen Funktionen Verantwortung - ja große Verantwortung zu übernehmen. Sie wurde in die Funktion der Bundesfachausschussvorsitzenden der Bildjournalisten gewählt. Dort war sie die einzige Frau in einem schwerfälligen Gremium, das ihrem Tempo nicht gewachsen war. Ich hätte ihr mehr Dankbarkeit für ihre geduldige und substanzielle Arbeit gewünscht, als sie damals die Arbeit des auf tragische Weise aus dem Leben geschiedenen Kollegen Uli Kraufmann aus Stuttgart übernahm.

Zurück in Berlin engagierte sie sich wieder im Vorstand. In einer der kritischsten Phasen des Verbandes, wurde sie unsere Schatzmeisterin. Gabrieles plötzlicher Tod ist ein so großer menschlicher Verlust, dass wir ihn noch gar nicht verstehen können. Doch ein großes Vorbild wird sie immer für uns bleiben.

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