Digitaler Journalismus in Deutschland und den USA: Von der Inspiration zum Geschäftsmodell

30. November 2016


Von Judith Langowski

Am Mittwochabend im DJV Berlin saßen nur Frauen auf der Bühne. Im Saal: 70 Frauen, 7 Männer. Das Thema, welche Möglichkeiten gibt es im digitalen Journalismus in den USA und Deutschland. Die Gäste auf dem Podium brachten Fachwissen mit: Ann Friedman, freie Journalistin aus Los Angeles, schreibt regelmäßig für die Los Angeles Times und New York Magazine und ist bekannt für kreative journalistische Konzepte, wie einem Podcast und ihrem regelmäßigen Newsletter, dem Ann Friedman Weekly. Begleitet wurde sie von Teresa Bücker, Redaktionsleiterin bei Edition F und Social Media-Expertin, und Inga Höltmann, Expertin für digitalen Wandel und freie Journalistin, begleitet.

Für Friedman war der Start ihrer Karriere im digitalen Journalismus war Zufall und Chance zugleich. Als sie 2004 anfing für das Blogkollektiv Feministing zu schreiben, achteten die traditionellen Medien noch nicht auf das Internet. “Als junge Journalistin ohne Kontakte in etablierten Medienhäusern war es einfach dort anzufangen - auch wenn ich in sechs Jahren bloggen vielleicht 30 Dollar verdiente.” Mittlerweile hat sie eine große Followerschaft auf Twitter und kann als freie Journalistin gut leben - auch dank ihrer erfinderischen Eigeninitiative. Mit ihrer besten Freundin Aminatou Sow betreibt sie den erfolgreichen Podcast Call Your Girlfriend. Sie diskutieren wöchentlich über Politik, Frauen in der amerikanischen Öffentlichkeit und stellen wichtige Politikerinnen und Aktivistinnen vor, auch vor ausverkauften Live-Vorstellungen. Während des Wahlkampfs, und auch danach, liefert der Podcast Berichterstattung auf persönliche Weise, ohne am Fachwissen der beiden Podcasterinnen zu mangeln. Auch Teresa Bücker hat früh digitale Erfahrung gesammelt: Als eine der ersten Social Media Managerinnen Deutschlands baute sie ab 2008 die Online-Community vom Freitag auf. Bei Edition F sieht sie ihre Aufgabe darin, die Gemeinschaft der Leserinnen zu stärken und auf deren Interessen einzugehen. Auch wenn es am Anfang schwierig war, traditionelle Medien von einem neuen Startup-Modell zu überzeugen, läuft es mittlerweile so gut, dass sie ab Ende des Jahres Profit machen können. “Wir haben einfach keine Business-Modelle für gut laufende digitale journalistische Projekte,” meint allerdings Inga Höltmann, und spricht damit die Schwierigkeiten von Gründer/innen in den digitalen Medien an, mit denen auch Edition F am Anfang zu kämpfen hatte. Ihre Lösung: Eine Akademie für digitales Leadership gründen. Mit der “Accelerate Academy” möchte Höltmann Führungskräften Inspiration beibringen: “Es gibt nicht ein Standardrezept für digitalen Erfolg, entscheidend ist das richtige Mindset.” Friedman berichtet aus dem amerikanischen Kontext: “In den Staaten gibt es immer einen oder zwei reiche Jungs, die ihr Geld in Medienstartups investieren.” So würden dann neue Ideen gefördert. Das sei allerdings nicht nachhaltig; wenn die Firmen nicht profitabel genug sind, wird ihnen der Hahn wieder abgedreht. Wie kann also digitaler Journalismus nachhaltig funktionieren? Wie kann qualitativer Online-Journalismus nach den US-Wahlen und vor den Bundestagswahlen 2017 möglichst viele Menschen ansprechen?

Für die Journalistinnen auf dem Podium besteht Hoffnung trotz der Wahl Donald Trumps zum neuen USPräsidenten. Sie machen weiter und sind motiviert, möglichst viele Menschen mit ihren Inhalten anzusprechen. Auch die lebendige Diskussion mit dem Publikum im Anschluss zeigt, dass besonders jetzt neue nachhaltige BusinessModelle für digitalen Journalismus erarbeitet werden müssen. Medien im Internet brauchen innovative Projekte, die viele Perspektiven in der Gesellschaft mit einbeziehen und die Vielfalt auch unter Medienmacherinnen und -machern reflektieren. Die Autorin moderierte die Veranstaltung in englischer Sprache.

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