"Diese Menschen lieben ihren Sender!"

15. Dezember 2014 I Interview: Markus L. Blömeke 

Mitarbeiter der "Deutschen Welle" haben heute, unterstützt vom DJV, im Berliner Regierungsviertel gegen den Kahlschlag demonstriert, den der Sender angekündigt hat. Eine Aktion mit Folgen. DJV- Bundesschatzmeister Prof. Dr. Frank Überall über Sparrunden, Stiftungen und die Zukunft des deutschen Auslandsfernsehens.

DJV Berlin: Professor Überall, was steht für die Mitarbeiter der Deutschen Welle aktuell auf dem Spiel?

Prof. Dr. Frank Überall: Vor allem der gute Ruf ihres Senders, die über Jahre hart und professionell erarbeitete journalistische Kompetenz und Akzeptanz – ganz persönlich für viele Mitarbeiter aber auch der Arbeitsplatz. Ich befürchte, dass eine Deutsche Welle, die kein deutschsprachiges Programm mehr macht, mittelfristig die Akzeptanz verliert. Wir brauchen motivierte Journalistinnen und Journalisten, die unser Land medial auf den "Welle"-Kanälen vertreten. Dazu zählt auch eine sprachliche Vielfalt an Stelle eines englischsprachigen Einheitsbreis. Und vor allem eben ein guter Journalismus, der auch gutes Geld kostet. Durch die ständigen Sparrunden droht die Deutsche Welle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu demotivieren. Dagegen muss Intendant Peter Limbourg ankämpfen, und dafür braucht er massive Unterstützung in der Politik.

DJV Berlin: Sie haben heute als Vertreter des DJV-Bundesvorstandes vor den Betroffenen gesprochen. Wie haben Sie die Stimmung bei der Kundgebung empfunden? Prof. Dr. Frank Überall: Die Stimmung war angemessen – besorgt, aber nicht aggressiv, teilweise resigniert, aber doch noch ein wenig hoffnungsfroh. Rund 600 Beschäftigte sind auf die Straße gegangen. Das war ein eindrucksvolles Zeichen. Journalistinnen und Journalisten neigen leider eher zur Selbstausbeutung als dazu, prekäre Bedingungen in ihrem eigenen Beruf öffentlich anzuprangern. Dass so viele engagiert bei der Demonstration dabei waren, war deshalb eine besonders deutliche Botschaft. Hier habe ich gesehen: Diese Menschen lieben ihren Sender, deshalb sorgen sie sich um seine Zukunft!

DJV Berlin: Hat sich "Deutsche Welle"-Intendant Peter Limbourg heute den Kolleginnen und Kollegen gestellt?

Prof. Dr. Frank Überall: Nein. Aber er wird sicherlich mit Interesse verfolgen, was von den Rednern bei der Demonstration gesagt wurde. Eines muss Peter Limbourg klar sein: Die Deutsche Welle bleibt nur dann ein Erfolg, wenn er sie im Schulterschluss mit den Beschäftigten und der Politik weiter entwickeln kann.

DJV Berlin: Die Deutsche Welle ist ein fast ausschließlich staatlich finanzierter Sender. Die Regierung hat offenbar trotz Rekord-Steuereinnahmen beschlossen, das eingetriebene Geld für andere Dinge auszugeben als für die Kollegen der Deutschen Welle. Provokant gefragt: Zeigt nicht gerade dieses Beispiel, dass Bestrebungen, Journalisten künftig auch anderswo vom Staat bezahlen zu lassen, in die Sackgasse führen?

Prof. Dr. Frank Überall: Ich persönlich halte davon "anderswo" nichts. Natürlich müssen wir uns Gedanken über die künftige Finanzierung von Journalismus machen, auch und gerade da, wo der Markt versagt. Dafür darf der Staat gerne Stiftungen fördern, journalistischen Projekten die Gemeinnützigkeit verleihen oder andere Unterstützungen leisten. Die Deutsche Welle ist als Auslandssender ein sinnvoller Sonderfall, der als (Finanzierungs-)Modell meines Erachtens innerhalb der Bundesrepublik in keiner Form übertragbar ist. DJV Berlin: Demonstrationen sind wichtig und stärken den inneren Zusammenhalt. Allerdings ist es der "GroKo" bisher, um es salopp zu sagen, in der Regel herzlich wurst gewesen, wer gerade weswegen in Berlin demonstriert ...

Prof. Dr. Frank Überall: ... was heute 'mal ganz anders war. Kaum war die Demonstration abgekündigt, haben sich die im Bundestag vertretenen Parteien plötzlich darin überschlagen, vorsichtig konstruktive Vorschläge für die Zukunft der Deutschen Welle zu machen. Martin Dörmann von der SPD hat als Demo-Redner einen höheren Personaletat versprochen. Die CDU hat sich über die Medien mit einer ähnlichen Forderung zu Wort gemeldet. Die Oppositionsparteien "Grüne" und "Linke" haben im Schatten des Brandenburger Tors den Protest unterstützt. Auch wenn im Detail mehr wünschenswert ist: An ihren Ankündigungen müssen sich die Politiker nun messen lassen. Ich will und kann mir nicht vorstellen, dass unseren Volksvertretern ihre selbst aufgestellten Forderungen bald "herzlich wurst" sind. Ansonsten gilt auch weiterhin für uns ehrenamtlichen Vertreter der Gewerkschaften genauso wie für die engagierten Beschäftigten der Deutschen Welle das Motto der Demonstration für diesen wichtigen Sender: Wir lassen uns nicht abschalten!

Den vollständigen Text des Rede-Manuskripts von Professor Überall finden Sie bei newsroom.de. Fotos von der Kundgebung gibt es auf unserer offenen Facebook-Seite.

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