„Der Kiosk spielt keine Rolle mehr“

15. Juli 2013 I Besuch bei taz.de

Der Fachausschuss Online von JVBB und DJV Berlin hat die taz.de- Redaktion besucht. Online-Chefin Frauke Böger sprach über den Erfolg der Paywall, die Audioslideshow-Serie „berlinfolgen“ und die optimale Artikellänge im Netz.

Von Alexander Czekalla

Im ersten Stock der Rudi-Dutschke-Straße 23 in Berlin-Mitte befindet sich die Redaktion von taz.de. Frauke Böger leitet sie seit Jahresanfang gemeinsam mit Julia Niemann. Sieben feste Redakteure und Redakteurinnen arbeiten in dem hellen und offenen Altbau. Ein Community-Manager ist für die sozialen Medien zuständig, unterstützt von zwei Praktikanten, die hauptsächlich die Leser-Kommentare sichten. Der Fachausschuss Online des JVBB und DJV Berlin war mit rund 20 Mitgliedern zu Besuch.

Ende Mai ging die Beta-Version von taz.de online. Nach und nach konnten die Nutzer so jederzeit den Wandel zur neuen Website miterleben: „Das nimmt die Mystifizierung vor diesem Prozess“, meint Böger. Die neue taz.de-Seite wirkt übersichtlicher, bildstärker und strukturierter.

Extrem dünn besetzt

Wenn sich Böger nicht um den Relaunch kümmert, schaut sie auf täglich über 40 bis 50 Artikel: Korrektur lesen, Links setzten – und wenn es brenne, muss sie auch mal Autoren organisieren, die schnell etwas liefern können. Denn „dazu haben die Kollegen der Print-Redaktion nicht immer Zeit.“

Die festangestellten Online-Redakteure arbeiten im Schichtdienst von 8 bis 20 Uhr. Sie bearbeiten Agenturmeldungen, schreiben kurze Artikel und stellen Print-Texte online. Viel Luft gibt es nicht.„Wir sind extrem dünn besetzt und wir müssen mit dem arbeiten, was da ist“, so Böger.

Wichtig, wie bei allen Online-Redaktionen, sei, dass die Texte eine gute Leserakzeptanz finden. Die Länge spiele dabei eine besondere Rolle. 4000 Zeichen sei eine übliche Länge für Online-Artikel - übrigens ebenfalls bei SPIEGEL Online. „Niemand scrollt bis ins Unendliche runter“, sagt Böger. Wenn ein Artikel 10.000 Aufrufe hat, sei das schon ein guter Wert. (Übrigens: Für einen Artikel mit 4.000 Zeichen zahlt taz.de freien Autoren zumindest 80 Euro.)

Grimme Online Award 2012

Was die Online-Chefin von Bewegtbildern im Netz halte, möchte einer der DJV-Besucher wissen. „Viel!, meint Böger. Aber nicht im herkömmlichen Sinne: „Das was beispielsweise die Agentur Reuters liefert, ist im Prinzip Fernsehmaterial. Wir wollen da andere Inhalte.“ Damit meint die taz.de-Leiterin die Audio-Slideshow-Serie „berlinfolgen“.

In den vergangenen zwei Jahren hat die taz-Redaktion gemeinsam mit der Agentur 2470media 100 Audio- Slideshows produziert. Die vertonten Diashows stellen in jeweils zwei, drei Minuten unprominente, aber interessante Berliner und ihr Leben vor. 2012 wurde die Serie mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

Paywall bringt bares Geld

Ebenfalls innovativ ist die Paywall von taz.de. Das freiwillige Bezahlsystem „taz-zahl-ich“, ging schon vor drei Jahren online. Damit war die Website eine der ersten in Deutschland, die auf ein freiwilliges Zahlsystem setzte.

Aktuell bringe das dem Haus monatlich im Schnitt 6000 Euro ein. „Aber es gab auch schon Monatsspitzen mit über 12000 Euro“, berichtet Böger. Allerdings würden nur rund 0,5 Prozent der taz.de-User über die Paywall zahlen. Im Schnitt seien diese Abo-Kunden zwischen 20 und 35 Jahren alt: „Wenn es fünf Prozent wären, würde sich die Online-Redaktion selbst tragen.“ Damit zeichne sich ein Trend klar ab: „Der Kiosk spielt keine Rolle mehr.“

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