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Journalistenpreis "Der lange Atem"

Die Nominierungen

19.11.2019

Acht Journalist*innen und ein Journalist*innen-Team gehen am Donnerstag ins Rennen um "Den langen Atem".

Sebastian Erb, Martin Kaul, Alexander Nabert, Christina Schmidt, Daniel Schulz:

Rechtsextremismus in Bundeswehr und Sicherheitsbehörden: Nordkreuz-Gruppe und Hannibal-Netzwerk (taz) Einem Team der taz (SEBASTIAN ERB, MARTIN KAUL, ALEXANDER NABERT, CHRISTINA SCHMIDT, DANIEL SCHULZ) ist es gelungen, mehrere geheime Netzwerke von Rechtsextremisten aufzudecken, darunter Polizisten, Verfassungsschützer und Soldaten. In Norddeutschland plante eine Gruppe »Nordkreuz« offenbar, politische Gegner zu exekutieren. Weitere Recherchen enthüllten ein bundesweites Netzwerk von Chatgruppen. Mittlerweile beschäftigt sich der Bundestag mit dem möglichen Schattennetzwerk in Sicherheitsbehörden.

 

Malene Gürgen: 

Rechtsextreme Anschläge in Neukölln (taz) »Erst die Hetze, dann das Feuer« hieß der erste Artikel von MALENE GÜRGEN, den die taz zu einer rechtsextremistischen Anschlagserie in Berlin-Neukölln im Dezember 2014 veröffentlichte. Seitdem recherchiert und schreibt die Reporterin immer wieder über den »Neukölln-Komplex« – auch dann, wenn andere Medien längst weitergezogen sind. So konnte sie aufdecken, dass Sicherheitsbehörden von Brandanschlagsplänen wussten. Der Berliner Verfassungsschutz musste sich vor dem Abgeordnetenhaus rechtfertigen. Gürgen zeichnet über die Jahre ein erschreckendes Bild rechten Terrors in diesem Berliner Bezirk, dem die Sicherheitsbehörden weitgehend hilflos gegenüberstehen.

Peter Huth:

Rechtsradikalismus in der Uckermark (rbb) Andere reisen an – und wieder ab, sobald die Geschichte erzählt ist – PETER HUTH bleibt. Seit 2011 berichtet er für das rbb-Fernsehen (Brandenburg Aktuell) über den Rechtsextremismus in der Uckermark und betreibt ein Internet-Portal zum Thema. Einem Nazi-Devotionalienhändler, dem die Justiz nicht beikommt, weist er nebenher betrügerischen Handel mit angeblichem Bio-Olivenöl nach. Er verfolgt die Entwicklung in dem Ort Lindenau, der zur »national befreiten Zone« zu werden droht. Er enttarnt die Zusammenarbeit von Neonazis, NPD und der lokalen AfD-Spitze. Huth kommt mit Menschen ins Gespräch, die mit einem zugereisten Journalisten kaum reden würden.

Hans Koberstein: 

Der Diesel-Abgasskandal (Frontal21, ZDF) 2015 wurde der VW-Abgasskandal öffentlich. Auch durch die Recherchen von HANS KOBERSTEIN und seine mehr als zwanzig Berichte auf Frontal 21 weitete er sich auf andere Hersteller aus. Der Redakteur hat sich geradezu hineingefressen in wissenschaftliche Studien, technische wie juristische Details und medizinische Folgen. Mit eigens in Auftrag gegebenen Tests wies er falsche Angaben der Hersteller nach. Man kann Koberstein bei seinem Erkenntnisprozess zuschauen und miterleben, wie sein Grundvertrauen in die Gesetzestreue einer Vorzeigeindustrie und in die Rechtstreue der Behörden ins Wanken gerieten, als die ganze Branche mitsamt dem Verkehrsministerium mauerte.

Lars-Marten Nagel: 

Anlagebetrug der PICAM-Gruppe (WELT/Handelsblatt) Der Mann heißt Thomas E. Er residiert im Tiefparterre einer Villa im Grunewald. LARS-MARTEN NAGEL (Welt am Sonntag/Handelsblatt) besucht ihn dort bereits 2016. Schon damals listet er Ungereimtheiten in den großen Versprechen des Vermögensverwalters auf. Er nimmt die Fährte wieder auf, als das Schneeballsystem zum Kriminalstück wird: dem Anlagebetrug der Picam-Gruppe. Anleger so naiv wie gierig. Findige Hintermänner, ahnungslose Behörden. Als die Finanzaufsicht wach wird, als es Razzien und Festnahmen gibt, scheint Nagel den Akteuren immer ein Stück voraus, recherchiert die Geschichte zu Ende. Er lässt nur die Fakten sprechen, um einen Wirtschaftskrimi zu erzählen.

Marta Orosz:

Koordination der internationalen Recherche  „Umsatzsteuerkarusselle“ (Correctiv) Es geht um Abzock-Kartelle in der EU, die den Fiskus um Umsatzsteuern in Milliardenhöhe betrogen haben. MARTA OROSZ und ihr Team bei Correctiv haben dem Thema europaweite Relevanz gegeben. Orosz baute eine grenzüberschreitende Medienkooperation mit 35 Redaktionen auf. Die Recherche dauerte »nur« sechs Monate, war aber extrem aufwendig. Das Reporterkollektiv erstellte eine Datenbank von 315.000 Seiten an Dokumenten und veröffentlichte sie unter www.grand-thefteurope.com. Orosz zeichnete auch für die Frontal-21-Dokumentation zum Thema mit verantwortlich. Zahlreiche Medien, bis hin zu Satireformaten, griffen die Recherchen auf.

Gabi Probst: 

Marode Schießstände der Berliner Polizei (rbb) 2015 hat GABI PROBST, Mitarbeiterin des ARD-Magazins „Kontraste“ beim rbb, recherchiert, dass Berliner Polizisten über Jahre wegen unzureichender Lüftungsanlagen in Schießständen Giften ausgesetzt waren. Viele leiden unter Krebs und anderen gesundheitlichen Folgen. Probst hat das Thema gesetzt und verfolgt es bis heute. Sie sieht Gutachten ein, findet immer neue Gesprächspartner, sammelt Expertenwissen an und ruft die Zuständigen zur Verantwortung. Die Betroffenen begleitet sie im Kampf um Entschädigungen. Sie berichtet eindrücklich, aber sachlich und verschafft damit jenen Gehör, deren Stimme zu schwach ist oder die wegen ihrer Beschwerde Repressalien erfahren.

Dinah Riese: 

Schwangerschaftsabbruch und der Paragraf 219a (taz) Als erste Journalistin hat DINAH RIESE, damals Volontärin und heute Redakteurin der taz, den Fall der Frauenärztin Kristina Hänel in die Öffentlichkeit gebracht, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie darüber informiert, dass sie Abtreibungen vornimmt. Mit ihrer hartnäckigen, aber immer sachlichen Arbeit in 70 Artikeln hat die Autorin maßgeblich dazu beitragen, dass der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches geändert wurde. Dinah Riese setzt sich zudem selbst den Angriffen von Lebensschützern aus und lässt sich nicht einschüchtern.

Tim Röhn:

Recherchen an den Hotspots der Flüchtlingskrise (WELT/WamS) TIM RÖHN ist unermüdlich für die Welt unterwegs zu den Hotspots der Flüchtlingskrise. Er hat die meisten Länder der Balkanroute besucht, er hat die Situation in Flüchtlingslagern in Griechenland, Spanien, Frankreich und Italien näher beleuchtet. Röhn hat mit Flüchtlingen geredet, genauso wie mit Anwohnern, die auf unterschiedlichste Weise auf die Ankommenden reagieren; mit freiwilligen Seenotrettern, mit dem Chef von Frontex, mit lokalen und nationalen Politikern. Ein empathischer Reporter, der aber nicht aktivistisch schreibt, sondern sich immer bemüht, alle Seiten in den Blick zu nehmen.

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