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Schmerzensgeld für Hassrede:

Der Rechtsstaat hält dagegen

07.01.2022

Ihnen und Euch allen die besten Wünsche für 2022. Ja, Corona hält uns weiterhin in Atem. Aber ich bin zuversichtlich, dass im Jahresverlauf mehr und mehr möglich sein wird. Auf unsere persönlichen Gespräche und Treffen, auf die wir so lange verzichten mussten, freue ich mich schon jetzt.

Das neue Jahr gibt aber auch gleich schon wieder Anlass zur Sorge. Der Ton in der Gesellschaft, egal ob persönlich-direkt, im Internet oder über die Medien geführt ist, rauer geworden. Hass, verbale und sogar physische Gewalt sind zu einer erschreckenden Normalität geworden. Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Entscheidungsträger sind Ziel von massiven Angriffen. Dabei wird immer klarer, dass es längst nicht mehr um „virtuelles“ Möchtegern-Muskelspiel geht, sondern um ganz konkrete Bedrohungen bis hin zum ernstgemeinten Mordaufruf. Der Staat, unsere Demokratie oder - wie seine Gegner sagen - „das System“ steht unter Druck. Dazu gehören auch wir, die Journalistinnen und Journalisten. Die An- und Übergriffe bei Demonstrationen oder gezielte Kampagnen gegen einzelne Kolleginnen und Kollegen sind unerträglich. Und die Fakten- und Meinungsverdreher, die sich Zustände wie in den USA wünschen, drehen weiter auf.

Da ist es gut, wenn der Rechtsstaat dagegenhält. Dass die SPD-Politikerin Sawsan Chebli jetzt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro erstritten hat, stimmt hoffnungsfroh. Chebli, bis Dezember 2021 Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei, war in einer Kolumne von „Tichys Einblick“ mit sexistischen Formulierungen belegt worden. Hintergrund war ihre Kandidatur für den Bundestag. Eine Unterlassungserklärung hatte sie bereits erwirkt. Dass sie sich damit nicht zufriedengab, ist richtig und sollte allen Mut machen, die in ähnlicher Weise geschmäht oder angegriffen werden. Dass so ein Rechtsweg lange dauert – hier seit September 2020 – sollte dabei nicht abschrecken.

Wohlfeile Sonntagsreden-Aufrufe zu mehr Solidarität sind eigentlich nicht mein Ding. Aber hier hilft nur zusammenstehen und klar machen, wie die große Mehrheit tickt. Nämlich gegen Sexismus, Rassismus und jede Form von Hass und Gewalt - im Netz und im realen Alltag.

Leider finden sich immer wieder Medien, die Öl ins Feuer gießen. In dieser Woche wieder einmal die „Bild“-Zeitung. Sie titelte am Mittwoch: „Wie unsere Freiheit immer mehr in Gefahr gerät“ und erging sich dann in wohligen Mutmaßungen, dass nicht die Querdenkenden Freiheit und Demokratie in Gefahr brächten, sondern die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft mit ihren Maßnahmen in der Pandemie. Die Freiheit ist aber gar nicht in Gefahr. Durch solche Meinungsmache aber sehr wohl unsere Demokratie. Neuer Lieblingsfeind des Blattes scheint jetzt RKI-Chef Wieler zu sein, der für die mangel- und fehlerhafte Übermittlung von Kennziffern durch die Gesundheitsämter während der Feiertage verantwortlich gemacht wird. Dafür kann Wieler zwar gar nichts und das RKI hat seit Wochen darauf hingewiesen, dass es über Weihnachten und die Jahreswende keine klaren Zahlen geben wird. Aber wen kümmerts?

Mein Vorschlag für 2022: Einfach mal lassen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen nochmal einen guten Start ins neue Jahr!

Steffen Grimberg

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