"Wir werden nicht die first mover sein"

24. Januar 2013 I Besuch bei Zeit Online

Die Mitglieder des Bundesfachausschusses Online des DJV haben Mitte Januar den neuen Newsroom von Zeit Online in Berlin besucht. Christoph Dowe, geschäftsführender Redakteur und Mitglied der Chefredaktion, führte herum und erklärte, warum seine Redakteure mehr als Sender sein müssen und Zeit Online auch gute Blogger einstellen würde.

Von Jan Söfjer

Der neue Newsroom von Zeit Online in Berlin liegt ebenerdig am Askanischen Platz, die Veranstaltungsräume zur Straße raus. Man kann sie direkt betreten. „Zur Berlinale im Februar wollen wir hier eine Café Lounge einrichten“, sagt Christoph Dowe, geschäftsführender Redakteur und Mitglied der Chefredaktion bei Zeit Online. „Wir wollen eine offene Redaktion sein, Dialog anregen.“

Rund 45 Redakteure arbeiten derzeit hier, dazu Grafiker, Entwickler und Programmierer – alle gemeinsamen im rund 1250 Quadratmeter großen Newsroom. Um sechs kommt der erste Redakteur, bis 20 Uhr ist die Redaktion regulär besetzt. Bis Mitternacht passt dann noch einer auf, dass keine wichtige Meldung untergeht. In Hamburg, wo die gedruckte Zeit ihren Sitz hat, gibt es noch sechs Verbindungsredakteure. Natürlich habe es Bedenken vor dem Umzug in den großen Raum gegeben, sagt Dowe, aber „wir haben vorher schon in einem Newsroom gearbeitet, unter sehr viel schwierigeren Bedingungen“. Aus der Erfahrung heraus habe man vor allem bei den Themen Licht, Luft und Lärm genauer hingeschaut. Und tatsächlich ist es sehr leise im Newsroom. Für Interviews, Gespräche und stilles Arbeiten stehen zudem kleine Büros bereit. Insgesamt wirken die neuen Räumlichen noch ein wenig steril, aber das soll sich bessern. Als kleinen Akzent hat man im Foyer ein paar große Bohlen aus Lärchenholz an die Wand montiert.

Und was braucht es, um Redakteur bei Zeit Online zu werden? „Man muss einfach ein guter Journalist sein“, sagt Dowe. Das müssen nicht unbedingt Absolventen von Journalistenschulen sein, deren Ausbildung Online noch bis vor kurzem zu stiefmütterlich behandelt habe, findet Dowe. Auch bei der Auswahl der Schüler habe der Bericht in der Lokalzeitung lange Zeit mehr als ein gutes Blog gezählt. Daher „hat bei uns auch ein guter Blogger eine Chance, wenn er das journalistische Handwerk beherrscht“.

Nicht nur Sender sein

Ein Merkmal von Zeit Online ist, dass sich die Redakteure nicht nur als Sender verstehen. „Man muss sich bei uns auf ein erweitertes Bild von Journalismus einlassen.“ Jeder Redakteur ist daher angehalten, sich an den Debatten im Kommentarbereich unter den Artikeln zu beteiligen. „Der Leser fühlt sich ernster genommen und die Qualität der Debatte steigt, wenn der Autor einsteigt“, sagt Dowe. Alle Kommentare können die Redakteure aber nicht prüfen. Dafür ist ein Community- Redakteur angestellt, der von einem Dutzend studentischen Aushilfen unterstützt wird. 15.000 Leser-Kommentare schreiben die Zeit Online-Leser jede Woche.

Die Arbeit bei Zeit Online ist eine andere als bei der gedruckten Zeit. Dowe erklärt, dass es Online stärker als im Print um Aktualität und Kontinuität gehe. „Von uns wird sieben Tage die Woche ein frisches Produkt erwartet, Print erstellt ein Produkt, das eine Woche halten muss.“ Dennoch sei die Zusammenarbeit zwischen den zwei Redaktionen gut und intensiv.

Umsätze und Zugriffszahlen von Zeit Online sind über die Jahre beständig gestiegen, doch rentabel ist Zeit Online trotzdem noch nicht. Um mehr einzunehmen, setzen immer mehr Verlage auf Bezahlschranken im Netz. Zeit Online ist damit vorsichtig. Dowe sagt dazu: „Wir werden nicht die first mover sein, aber beobachten was passiert.“

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