Weiße Magie

25. Oktober 2013 I Fachausschuss-Print-Treffen

SZ-Feuilletonist Lothar Müller sprach beim DJV über den Siegeszug und Bedeutungsverlust des Papiers und darüber, wie sich der Tageszeitungsjournalismus verändert, wenn er nicht mehr gedruckt erscheint.

Von Michaela Maria Müller

Was wird aus dem Trägermedium Papier, was aus der Tageszeitug im digitalen Zeitalter? Bei dem vergangenen Treffen des Fachausschusses Print von JVBB und DJV Berlin sprach Lothar Müller darüber, Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. Er ist Autor des Buches „Weiße Magie. Die Epoche des Papiers“, das beschreibt, wie das Papier seinen Siegeszug in der westlichen Welt antrat.

Müller plädierte zunächst dafür, den Zusammenhang von Papier/Druckerpresse/Buch aufzulösen und das Papier als reines Trägermedium zu betrachten, das auf eine wesentlich längere Tradition zurückblickt als die Druckerpresse. Papier kann für unendlich viele Zwecke eingesetzt werden, etwa zur Herstellung von Ausweispapieren, Büchern, Geldscheinen, Scherenschnitten oder Urkunden. Wird dieser Bedeutungszusammenhang aufgelöst, ergibt sich eine neue Perspektive, die auch in Analogie zu den Möglichkeiten der digitalen Medien erhellend sein kann.

Seit Beginn des digitalen Zeitalters tritt ein Merkmal am Printprodukt hervor, das vorher so nicht ins Auge fiel: Die Zeitungsseite ist abgeschlossen in Zeit und Raum. Da bei ihrer Produktion ein

physischer Raum bewirtschaftet wird, kann nichts hinzugefügt oder weggenommen werden. Diese Eigenschaft steht im Gegensatz zu Möglichkeiten der digitalen Medien, etwa in einen Beitrag Musikstücke und Videos einzubetten.

Wenn das Papier seinen Hegemonialstatus verliert, wird sich auch der Journalismus neu definieren müssen, weil sich die Bedürfnisse der Rezipienten ändern. Im Sportteil hat dies bereits zu großen Veränderungen geführt. Da etwa am Montag die Ergebnisse der Bundesliga bekannt sind, werden Texte nicht mehr aktuell, sondern im Bewusstsein der Verspätung verfasst.

Der Onlinejournalismus befinde sich derzeit in einer Phase des Experimentierens mit neuen Formaten. Die Verweildauer entwickelt sich zunehmend zur neuen Währung und löst die in den vergangenen Jahren vorherrschende Fixierung auf Klickzahlen ab.

Der Vielzahl der Möglichkeiten und dem vorherrschenden Aktualitätsdruck könnten eine Verknappung der Optionen und eine Entschleunigung folgen, was der vielfach verlauteten Forderung nach mehr Qualität Vorschub leisten könnte, so Müller.

Das Medium Zeitung entstand Anfang des 17. Jahrhunderts durch die zunehmende Verflechtung von Periodizität und Aktualität. Die Periodizität entwickelte sich in der Neuzeit mit dem Ausbau des Postwesens im Deutschen Reich. Die Deadline der Ausgabe war die Abfahrtszeit der Postkutsche. Zeitungsnamen wie „Rheinische Post“ verweisen noch heute darauf. Im digitalen Zeitalter fällt jedoch durch die nahezu ständige Aktualisierung der Parameter Periodizität weg. Noch ist es schwer, eine Aussage darüber zu treffen, was das in Zukunft für publizistische Inhalte bedeuten wird.

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