"Kai Diekmanns Ausflug ins Silicon Valley war keine Spaßtour"

30. Juli 2013 I Axel Springer

Der DJV Berlin-Vorsitzende Bernd Lammel ist wenig überrascht, dass der Axel Springer-Konzern Traditionstitel wie die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt oder die Hörzu verkauft. Springer meine es Ernst mit digitalen Geschäften, so Lammel im rbb-Interview. Das Transkript.

Der reiche Axel Springer-Verlag verkauft seine Traditionsmedien. An mangelndem Geld kann der Verkauf eigentlich nicht liegen. Woran liegt es dann, Herr Lammel?

Das sind wahrscheinlich zwei Aspekte. Einmal ist es ein medienstrategisches Ziel, das Springer verfolgt. Insofern verstehe ich die Aufregung nur zur Hälfte, denn Springer hat die Hinwendung zur Digitalisierung ja schon seit Jahren angekündigt. Und viele glaubten, dass Kai Diekmanns Ausflug ins Silicon Valley eine Spaßtour ist, zeigt aber, dass dieser Verlag wirklich Ernst macht mit der Digitalisierung. Und in zweiter Linie ist es natürlich für uns im DJV die Frage, wie dieser Wandel für die Kolleginnen und Kollegen sein wird? Werden dabei Arbeitsplätze verloren gehen? Oder können wir uns sogar der Hoffnung hingeben, dass neue und interessante Arbeitsplätze entstehen?

Was meinen Sie?

Ich bin da eher ein Optimist. Wir haben ja bemängelt, dass die Verlage keine Geschäftsmodelle entwickeln. Es wurde den Verlagen vorgeworfen, dass sie ideenlos sind in der momentanen Welt des Paradigmenwechsels der Medien. Das ist auch so. Die Auflagen gehen zurück. Und jetzt macht ein Verlag einfach Mal die Wende und die Rolle vorwärts, nicht rückwärts. Für die Funke-Gruppe ist es aber ein Tanz auf dem Vulkan, für eine Milliarde Euro Zeitungstitel zu kaufen. Denn man hat ja dort gerade erst die Anteile der ehemaligen Partner-Eigentümerfamlie übernommen. Jetzt kaufen sie die Springer-Titel – erneut mit geborgtem Geld. Und das in einem Segment, dass mit sinkenden Auflagenzahlen zu rechnen hat.

Die Funke-Gruppe setzt noch auf die gedruckten Medien. Ich frage mich trotzdem: Entkernt sich der Springer-Verlag nicht selbst, wenn er so viel abgibt? Auch gerade von den traditionsreichen Medien? Die Frage ist auch: Wie schlimm steht es den Print-Journalismus?

Tradition ist kein Geschäftsmodell. Das muss man erst Mal sagen. Ich halte es strategisch für klug, dass man sich von Dingen trennt, die in absehbarer Zeit die Arbeitsplätze gefährden werden, wenn die Umsätze nicht mehr reichen sollten. Das sage ich auch als Gewerkschafter im DJV. Wir brauchen als Journalisten auch Verleger, die gute Konzepte haben und die dann auch für gute Arbeit, gutes Geld bezahlen können. Insofern habe ich auch Respekt vor Springers Entscheidung. Ob sie tragen wird, das wird die Zukunft zeigen.

Was bedeutet das jetzt eigentlich für unsere Berliner Zeitungslandschaft und vor allem für die regionale Berichterstattung? Das war ja ein Schwerpunkt der Berliner Morgenpost?

Ich glaube, dass sie nicht unbedingt leiden wird. Wir reden ja hier: Papier versus digitaler Vertriebskanal. Die Frage wird nur sein, ob das, was Springer jetzt vorlebt mit BILD Plus dann auch auf die Morgenpost zutreffen wird, dass Leser geneigt sein werden, auch für die digitale Zeitung Geld auszugeben. Springer setzt alles auf eine Karte, weil es ja absehbar und ganz klar ist, dass man mit gedruckten Zeitungen, künftig kein Geld mehr verdienen kann. Wir haben ja keine Tageszeitung in Deutschland und weltweit, die überhaupt noch steigende Auflagenzahlen hat. Die Auflagenzahlen sinken dramatisch, die Anzeigenerlöse sind damit natürlich im freien Fall. Es ist eigentlich mathematisch leicht auszurechnen, wann weitere Zeitungen geschlossen werden. Gerade bei der Funke-Gruppe haben wir ja gesehen, was dort mit einem rigiden Sparkurs mit der Westfälischen Rundschau passiert ist.

Sie sagen hier so klar das Ende der Printmedien voraus. Ich finde das gar nicht klar. Bei den Büchern sagt man auch immer, das E-Book kommt, aber es kommt ja gar nicht.

Dann haben Sie mich falsch verstanden. Ich sage natürlich nicht das Ende der Printmedien voraus. Diese Unkenrufe gibt es immer. Als das Radio erfunden wurde, hieß es auch, es wird keine Zeitungen mehr geben. Die gibt es ja heute auch noch. Die Zeitung existiert dann ja digital weiter. Es ist lediglich, dass wir sie nicht mehr auf Papier lesen. Und wissen Sie, seit ich den SPIEGEL auf dem Tablet lese, möchte ich ihn in Papier gar nicht mehr in die Hand nehmen. Die Lesegewohnheiten werden sich ändern, aber damit ist die Zeitung nicht tot. Sie heißt dann nur vielleicht nicht mehr Zeitung. Da werden neue Medien kommen für eine neue Generation. Und Print lebt auch weiter. Wir haben so eine differenzierte Medienwelt. Wir haben mehr Titel am Kiosk als vor zehn oder 20 Jahren, aber die Leserschaft spaltet sich in immer differenziertere Interessen auf. Und deswegen ist es für große Konzerne wie den Axel Springer-Verlag gar nicht mehr möglich, ein breites Spektrum in einer Zeitung abzudecken. Das ist ja auch die Gefahr für Titel wie den stern bei Gruner + Jahr. Eine Publikumszeitschrift kann nicht mehr eine ganze Familie mit den Themen der Woche versorgen. Deswegen sinken die Auflagen, weil schon in einer Familie die Interessen so verschieden sind, dass zu Fachzeitschriften und zu Special Interest-Magazinen gegriffen wird – und die werden weiterleben. Die müssen mit kleinen Auflagen leben, profitieren aber auch von der Digitalisierung.

Das Interview führte Ev Schmidt im rbb-Kulturradio am Morgen am 26. Juli 2013.

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