"Alles wird gespeichert"

1. Juli 2013 I Infoabend: Quellenschutz

Die Abhörskandale durch amerikanische und britische Programme haben auch viele Bürger und Journalisten in Deutschland verunsichert. Aber wie kritisch muss man eigentlich den deutschen Staat sehen? Vor Mitgliedern des DJV Berlin und JVBB sprach der Fachanwalt Matthias Hartmann über die Sammelwut deutscher Behörden.

Von Alexander Czekalla

Viele Journalisten sichern ihr Recherchematerial in sogenannten Clouds - auf Speicherplätzen im Internet. Allerdings genießen die dort gespeicherten Daten keinen Quellenschutz. Die aktuell bekannt gewordenen Fälle der Ausspähung von Journalisten in den USA, dem Land in dem die meisten Cloud-Server zu finden sind, zeigen die großen Gefahren der Überwachung durch Institutionen und Unternehmen auf.

Doch auch in Deutschland sind staatliche Datensammler interessiert an journalistischen Informationen. Zu diesem aktuellen und hoch brisanten Thema informierte Matthias Hartmann (Kanzlei HK2), Fachanwalt für Informationstechnologierecht, am 19. Juni ein Publikum von zwanzig Journalisten des DJV Berlin und des JVBB.

Lauschangriff anno 1975

In der ersten Graphik, die Hartmann auflegt, findet sich eine Liste von US-Firmen samt Jahr, seit dem diese mit der National Security Agency (NSA) zusammenarbeiten. Nahezu alle Internet-Giganten sind vertreten: Microsoft 2007, Yahoo 2008, Google 2009 und zuletzt auch Apple im Oktober 2012 – um nur einige zu nennen. „Sie sollten nicht überrascht sein“, greift Hartmann ein Raunen der Zuhörer auf: „Gehen Sie am besten davon aus: Alles wird gespeichert!“

Dann geht der Fachanwalt auf einen weit zurückliegenden Fall aus Deutschland ein, den illegalen Lauschangriff des Bundesverfassungsschutzes aus dem Jahr 1975. Er erläutert anhand dieses Falls juristische Fachtermini und deren Unterscheidungen wie „Beweiserhebungsverbot“ und „Beweisverwertungsverbot“, „belanglose“ und „besondere“ Daten, „Lausch- und Spähangriffe“ und er erklärt den Unterschied zwischen Täter, Mittäter und Teilnehmer. „Es gibt keine belanglose Daten“, resümiert Hartmann. Denn schließlich könnten aus allen Daten, vor allem wenn sie in hoher Menge vorliegen, logische Schlüsse gezogen werden. Hier schließt Hartmann an das Sammeln von Meta-, Bestands- und Verkehrsdaten an. Letztere können Telekommunikationsdaten sein.

Als aktuelle Exempel zur Sammelwut von deutschen Behörden greift Hartmann die jüngsten Fälle in Berlin und Dresden auf, bei denen die Polizei im Zuge von Demonstrationen massenhaft Daten zur Standortabfrage der Mobiltelefone von Demonstranten tätigte. Das sei rechtswidrig gewesen und

deshalb seien die Daten mittlerweile wieder gelöscht worden, meint Hartman und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wie alle anderen Daten auch, die überall sonst erhoben werden.“

Der Zugriff des Staates

Dann wendet sich der Jurist dem für die anwesenden Journalisten entscheidenden Themenbereich zu: Dem Zugriff des Staates auf nicht-öffentliche Quellen. Dabei weist er auf die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in der Cicero-Redaktion aus dem Jahr 2005 hin, gegen die der damalige Chefredakteur des Magazins bis vor das Bundesverfassungsgericht zog – und gewann.

Die Richter stellten fest, dass „Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige zulässig sind, wenn sie nicht ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln“. (BverfG Aktz.: 1 BvR 538/06, 1 BvR 2045/06 vom 27.02.2007). Erforderlich für ein solches Vorgehen sei ein konkreter Verdacht gegen den Journalisten, damit der mit der Maßnahme verbundene Eingriff in die Pressefreiheit gerechtfertigt sei. Bei der „nachgelagerten Beihilfe zum Geheimnisverrat eines Dritten“, erfordere dies mehr als die reine Veröffentlichung eines geheimen Dokuments.

Schutz durch eigenen Server

Was den Quellenschutz gegenüber deutschen Behörden anbelange, so gebe es „Ermittlungsschranken im Strafverfahren“. Diese sind unter anderem das Zeugnisverweigerungsrecht, die Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbote und das Beweisverwertungsverbot. Journalisten, die sich im Hinblick auf ihre Informanten auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, können dies aber nur, wenn die Informationen als „Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil bestimmt sind oder für redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienst zur Verfügung gestellt werden“. Allerdings trifft dies nicht für „aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste zu“.

So schließe diese Regelung nicht den direkten Post in einem Online-Forum ein, auch nicht wenn dieses Forum innerhalb eines Informationsmediums eingebettet ist. Vor der Beschlagnahmung geschützt seien jedoch grundsätzlich „Schriftstücke, Ton-, Bild- und Datenträger, die sich im Gewahrsam des Journalisten, der Redaktion, des Verlages oder der Rundfunkanstalt befinden“. Aber auch hier könne der Staat zuschlagen: Denn E-Mails und der gesamte Datenverkehr einer Redaktion sowie der Inhalt in einer Cloud obliegen zumeist nicht dem direkten Gewahrsam sondern liegen in der Regel beim Provider selbst. „Somit besteht hier kein Hindernis, die Informationen und E-Mails ohne vorherige Information der Redaktion zu beschlagnahmen.“ Grundsätzlich könnten somit alle E- Mails bei einem Provider abgefragt werden, mahnt Hartmann. Journalisten oder Redaktionen die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten sich also hauseigene Server zulegen.

Löchriges Pressefreiheitsgesetz

Insgesamt sei das Pressefreiheitsgesetz ziemlich löchrig und „bietet zahlreiche Ansatzpunkte für Ermittlungen“, so der Fachanwalt. In puncto Datenüberwachung zeigen die aktuellen Prism und Tempora Fälle, dass nahezu der gesamte Internet-Traffic überwacht wird: „Das Einzige was uns noch ein wenig schützt ist die Inkompetenz der Behörden.“ Interessant ist, dass bei Prism nahezu der gesamte Datenverkehr von E-Mails, Skypes, Chats, Videos, Daten auch Login-Daten etc. überwacht und gespeichert wurde, dies aber nicht auf US-Bürger zielte. Der deutsche Staat brauche also kein eigenes Prism, denn er könne sich hier Amtshilfe bei den US-Kollegen sichern. Bei diesen Worten werden selbst die Gesichtszüge der letzten Zuhörer nachdenklich: Zwei „wichtige Tipps“ hat Hartmann dann noch zum Abschluss: „Wenn Ermittler einmal vor Ihrer Tür stehen sollten – haben Sie immer die Telefonnummer eines Anwalts im Kopf. Und sprechen Sie im Allgemeinen nicht zu viel mit Strafverteidigern – Sie werden sonst den Glauben an den Rechtsstaat verlieren.“

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