70 Jahre DJV-Berlin-Mitglied Manfred Omankowsky: „Ein Journalist ist ein Gebender“

von Gudrun Küsel

Journalist? Und ob. Das war er. Außerdem war er ein Berliner Politiker, leitete soziale Organisationen und betätigte sich als Geschäftsmann. Alles mit Erfolg. Aus alten Zeiten hat er sich ein Tagebuch aufbewahrt. Darin steht: „Ich möchte durch Schreiben und Reden Menschen informieren und beeinflussen.“ Als Manfred Omankowsky das schreibt, ist er zwölf Jahre alt. Die Familie lebt in Reinickendorf. Der Vater, Sozialdemokrat, ist mehr als skeptisch. Werde Förster oder Landvermesser, sagt er. Da bist du weit weg vom Schuss. Es ist das Jahr 1939. Die deutsche Wehrmacht hatte gerade Polen überfallen.

Auch Jugendliche hatten Kriegsdienst abzuleisten. „Viel Schule hatten wir damals nicht. Und zum Journalismus kam ich schließlich durch Zufall.“ Der 15-Jährige Omankowsky wird zum Landeinsatz abkommandiert. „Ich war aber für die Landwirtschaft nicht geeignet.“ Man teilt ihn daher als Hilfskraft zum Austragen von Zeitungen ein. Ausgerechnet beim „Franz-Eher-Verlag“, der „Mein Kampf“ und den „Völkischen Beobachter“ verlegte. „Schlimmer Beruf, ganz früh hin, schwere Zeitungen in den fünften Stock tragen. Ich legte also die Zeitungen unten in den Flur und kriegte Ärger.“ Der junge Mann wird in die Zimmerstraße versetzt, in den Verlag selbst, als Bürobote. Die Arbeit der Redaktionen fasziniert ihn. Inzwischen – es ist 1943 - gehört er zur „Swing-Jugend“. Junge Leute, die sich abends in den Straßen Berlins tummelten, sich in Lokalen trafen, dort heimlich Platten mit – verbotener - amerikanischer Swing-Musik hörten und lange Haare hatten. Manche von ihnen kamen später dafür in KZs.

Wieder in der Schule zurück, will er herausfinden, wie man Journalist wird. Das war seit 1933 im „Schriftleitergesetz“ geregelt. Die Berufsbezeichnung „Redakteur“ war offiziell abgeschafft und damit auch die entsprechende Berufskultur. „Es war mir nicht geheuer, aber ich wollte trotzdem dahin.“ Doch erstmal muss er zu einem dreimonatigen Einsatz als Luftwaffenhelfer. Danach unterschreibt sein Vater für ihn „schweren Herzens“ einen Lehrvertrag als Verlagskaufmann im Franz-Eher-Verlag. „Die Lehrlinge sollten Mein Kampf lesen, aber ich habe das nicht gemacht.“ Er bricht die Lehre nach drei Monaten im September 1943 ab. Wird zum „Arbeitsdienst“ eingezogen. Meldet sich freiwillig zur Marine. „Mein Onkel sagte, das sei die beste Lebensversicherung so kurz vor Kriegsende. Ich wurde nie verwundet, habe auch nie geschossen.“ In der Wehrbetreuungsgruppe in Kiel darf er sogar Swing-Musik machen. Doch bald ändert sich alles.

April 1945. Hitler lässt für die Schlacht um Berlin die „Armee Wenck“ aufstellen. Die Matrosen aus Kiel sollen sie als „Nordabsicherung“ unterstützen. In Wirklichkeit ist der Kampf um die Hauptstadt aber längst entschieden. „Da erwischte uns doch noch der Seelenklau.“ Es gibt starke Verluste durch Tiefflieger. Der Rest der Kompanie soll sich nach Norden durchschlagen. Die US-Truppen sollen bei Schwerin stehen, heißt es. „Als ich das hörte, ging ich lieber freiwillig in Gefangenschaft. Fahnenflucht sagt man auch dazu.“

Dezember 1945. Wieder in Berlin. Omankowsky ist aus der Gefangenschaft geflohen. Alles ist schwierig. Zum Beispiel ohne Entlassungsschein einen Ausweis oder Lebensmittelkarten zu bekommen. Der 18-Jährige ist voller Tatendrang. „Ich wollte unbedingt Journalist werden.“ Seine Mutter ist wieder SPD-Abgeordnete in Reinickendorf und mit der Mutter des Telegraf-Herausgebers und Politikers Arno Scholz befreundet. Nach der Kapitulation hatten die Siegermächte alle bestehenden Zeitungen verboten. Das Pressewesen sollte über Lizenzen neu aufgebaut werden. Zwar befanden sich die größten Druckereien der Stadt im Ostteil und die Sowjets hatten alle in Berlin verfügbaren Papierrollen beschlagnahmt. Dennoch entstehen auch im Westen in rasantem Tempo Zeitungen, Blätter und Blättchen. 1946 hat jeder Berliner seine tägliche Zeitung, ab 1947 sogar zwei Abendzeitungen.

„Ich dachte, nun kannst du deine Pressekarriere richtig beginnen.“ Die Wirklichkeit war anders. „Ich irrte in der ersten Zeit irgendwie umher.“ Erfahrene Kollegen, wie der politische Redakteur des „Sozialdemokrat“, Heinz Krüger, vermitteln ihm einzelne Aufträge. Er belegt Vorsemester an der Pädagogische Hochschule. „Ein reguläres Studium kam nicht in Frage. Ich hatte kein Abi, mein Vater konnte das Gymnasium nicht bezahlen, weil er 1937 arbeitslos war.“ Während der drei Semester tippt der Student auf der Schreibmaschine Wandzeitungen, bestehend aus sechs bis acht Seiten mit jeweils drei Durchschlägen, klebt sie an die Wände der Hochschule. „Manches würde ich heute nicht mehr so schreiben.“ Er veröffentlicht politische Artikel im Telegraf und im Sozialdemokrat sowie in der Zeitschrift JungesLeben. Initiiert zusammen mit Telegraf-Redakteur Erich Richter eine Zeitschrift namens Freundschaft. „Man schrieb damals nicht im Auftrag. Sondern ging in die Redaktion und sagte: ich habe hier einen Artikel, könnt ihr den gebrauchen?“

Der Pressereferent im Rathaus Reinickendorf wird auf den jungen Schreiber aufmerksam, lädt ihn in sein Büro ein. Während der Besprechung klingelt das Telefon. Ein neuer Mitarbeiter wird gesucht. Omankowsky bewirbt sich. Bekommt die Stelle. Das ist im September 1947. Wenig später wird er – er ist gerade 21 Jahre alt – Leiter der Pressestelle. „Meine Aufgabe: Lesen, Leute informieren, Meldungen weitergeben.“  Jürgen Graf vom RIAS erfindet den Blitzfunk: aktuelle Kurzberichte aus West-Berlins Bezirken. Sein Kontaktmann in Reinickendorf ist Omankowsky. Zweimal im Monat erscheint das Amtsblatt. „Ich musste alles machen: Texte zusammenstellen, Papier organisieren. Man war ständig unterwegs, um Papier zu kriegen.“ Er lernt mit dem Setzkasten umzugehen, macht den Umbruch und den Bürstenabzug für den Probedruck. Das Jugendamt gibt eine kleine Monatsschrift heraus: Deine Freizeit. „Die habe ich auch redigiert.“ Alles mit nur einer Mitarbeiterin. „Es war ja kein Geld da.“

Jeden Morgen kauft er alle sechzehn Zeitungen der Stadt. „Dann wurde ausgeschnitten, aufgeklebt und alles an die Abteilungen weitergereicht.“ Inzwischen gab es das Berliner Stadtblatt. Willy Brandt war Chefredakteur, Omankowsky freier Mitarbeiter. „Ich schrieb über alles - Sport, Politik, Mode, Kunst.“ Er organisiert 1949 die „Reinickendorfer Welle“, eine Vergnügungs- und Verkaufsmesse am Schäfersee. Die Wochenzeitung „Der Norden“ entsteht. Lizenzträger sind die Bezirksbürgermeister von Reinickendorf und Wedding, Redakteure die beiden Pressereferenten. Doch „Der Norden“ muss bald wieder aufgeben. „Vermutlich waren wir den Franzosen zu kritisch.“

Manfred Omankowsky hat sich seine allerersten Presseausweise aufgehoben – vom Berliner Magistrat ausgestellt. „In vier Sprachen. Man kam überall rein. Wenn man zwanzig ist, fühlt man sich da gebauchpinselt. Später kannte mich sowieso jeder.“ Im Osten gab es den Verband der Deutschen Presse, der eigentlich für ganz Berlin gedacht war. Das Presseamt des Westberliner Senats fordert seine Mitarbeiter auf, die Aufnahme in den Ost-Verband zu beantragen - in der Annahme, dass dies abgelehnt werden würde. So war es auch. „Daher konnten wir 1948 einen eigenen Verband im Westen gründen, ohne uns dem Vorwurf auszusetzen, wir wollten die Spaltung.“  Etwas später entstand der DJV, dem sich der Presseverband anschloss. Das Verbandsleben sei früher „menschlicher“ gewesen als heute, findet Omankowsky, und erzählt von den vielen Kurzreisen, Ferienwohnungen, Scheckheften und Veranstaltungen. Aber er ist immer noch gern im DJV.  

Neben seiner Arbeit im Bezirksamt Reinickendorf studiert Manfred Omankowsky Politologie an der Freien Universität Berlin. Voraussetzung war ein „Begabtenabitur“. Der Senator für Arbeit und Soziales, Kurt Exner, macht den Diplom-Politologen 1959 zu seinem persönlichen Referenten. Im Bezirk Tiergarten wird Omankowsky - mit 38 Jahren - zum Bezirksstadtrat für Jugend und Sport gewählt und bleibt es sechs Jahre lang. „Ich hatte immer eine gute Presse. Wie kriegst du das hin – haben alle gefragt. Na, ich wusste eben genau, was Journalisten hören wollen.“

Das „Deutsche Zentrum für Altersfragen“ soll 1973 in Berlin gegründet werden. „Willst du das machen?“ wird Manfred Omankowsky gefragt - damals gerade Inhaber einer Gebäudereinigungsfirma. Unter seiner Leitung wird das DZA eine weithin anerkannte Institution. Nach der Berliner Wahl 1975 rückt er durch eine Wiederholungswahl für drei Jahre in das Abgeordnetenhaus ein. Danach wird er „Freelancer“. Schreibt für Zeitungen und Fachzeitschriften. Ist ehrenamtlicher Kurator, Vorsitzender oder Aufsichtsrat in zahlreichen sozialen Organisationen, u.a. im „Deutschen Familien Verband“, in der „Stiftung Hilfswerk Berlin“, der „Bürgermeister-Reuter-Stiftung“. Nach Studienaufenthalten in England initiiert er einen Lehrlingsaustausch zwischen beiden Ländern sowie „Essen auf Rädern“ in Berlin. Gründet als weitere Deutschland-Premieren ein Fitnessstudio und eine Schuldnerberatung, ist eine Zeitlang ehrenamtlicher Oberverwaltungsrichter. Erfindet und organisiert Veranstaltungen: bunte Nachmittage in der Kongresshalle, Reisen für Familien und Busfahrten für alte Leute. Gestaltet zahlreiche Ratgeber-Broschüren. Dem Redaktionsbeirat für die Zeitschrift „Soziale Arbeit“ gehörte er noch bis 2016 an.

Seit zwanzig Jahren ist Manfred Omankowsky „Zeitzeuge“. Besucht Schulen und Vereine, gibt Interviews für TV-Sender, Zeitungen, Film- und Buchautoren. Ungefähr fünfzig Mal im Jahr. „Über die Nazizeit wurde nach dem Krieg wenig erzählt. Ich wusste zum Beispiel lange Zeit nicht, dass mein Vater verhaftet wurde.“ Bis heute rede man über die Vergangenheit zu wenig. Im Internet kursiere oft Falsches. „Deshalb gehe ich als Zeitzeuge überall hin und erzähle, wie es gewesen ist.“ Auch über Telegraf-Verleger Arno Scholz, der während der Nazi-Zeit Berufsverbot hatte, spricht der 91-Jährige gerne. „Er hat mir oft Briefe mit Ratschlägen geschrieben. In einem steht: Ein Journalist ist immer ein Gebender, und deshalb soll er möglichst viel in sich hineinnehmen.“ Bekommen junge Journalisten von heute auch solche Ratschläge mit auf den Weg? „Weeß ick nich“, sagt Manfred Omankowsky und schmunzelt.

Manfred Omankowsky referierte am 26.Mai 2016 über „Journalisten der Stunde Null – Berliner Presse und die neue Freiheit nach 1945“. Initiiert und durchgeführt hatte die Veranstaltung das KT Generation + in den Räumen und mit Unterstützung von Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. (www.gesichtzeigen.de).
Ort der Veranstaltung: Lernort 7x jung (www.7xjung.de). Moderation des Gesprächs: Gudrun Küsel. Einführung: Ann Schäfer.

 

Die Abbildungen für diesen Text hat Manfred Omankowsky freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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