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BILD-Hetze gegen Wissenschaftler:

Neuer Chef im alten Stil

10.12.2021

Liebe Mitglieder,

als nach dem Rauswurf von Julian Reichelt Johannes Boie als neuer Chefredakteur zu BILD wechselte, sollte das auch einen Stilwechsel symbolisieren: Boie hat sein Handwerk, anders als das 100-prozentige Springer-Gewächs Reichelt, unter anderem bei der Süddeutschen Zeitung gelernt.  
Doch spätestens seit dem letzten Wochenende kann von Stilwechsel keine Rede mehr sein. Mit plumpem Schwarzer-Peter-Boulevard versuchte BILD, namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Sündenböcken für die verschärften Corona-Maßnahmen zu stempeln.  

„Der neue Winter-Lockdown – bereits am vergangenen Wochenende wurden die Knallhart-Maßnahmen von Experten ausgetüftelt!“, hieß es dort. Als Verantwortliche präsentierte das Blatt den Physikprofessor Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität und zwei seiner Kolleg*innen. Die Überschrift: „Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest“. In der Print-Ausgabe war das mit drei Weihnachtspaketen garniert, die Aufschriften: „Geschenke-Kauf 2G”, “Familienfest nach Corona-Regeln” und “Kino-Verbot für Ungeimpfte”. Das ist gefährliche Desinformation.  

Gut, dass die Humboldt-Universität sofort Beschwerde beim Presserat eingereicht hat. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, das sind alle namhaften Institutionen von der Humboldt-Stiftung bis zur Leopoldina, hat ebenfalls hart kommentiert: „Dass und auf welche Weise hier einzelne Forscherinnen und Forscher zur Schau gestellt und persönlich für dringend erforderliche, aber unpopuläre Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verantwortlich gemacht werden, ist diffamierend. Es kann überdies leicht zu einem Meinungsklima beitragen, das an anderer Stelle bereits dazu geführt hat, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sahen oder mit ihr bedroht wurden.“  

Die Bildzeitung setzt damit ihre 2020 begonnene Polemik gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fort. Wir erinnern uns an den Versuch, eine Studie von Christian Drosten mit Hilfe von aus dem Zusammenhang gerissenen Stimmen anderer Wissenschaftler zu diskreditieren.  

Und was sagt eigentlich Springer-Chef Döpfner dazu? Seine skandalösen Äußerungen über den „neuen DDR Obrigkeits-Staat“ hat er im Nachhinein als Ironie und Satire bezeichnet - das sei ja alles nicht so gemeint gewesen. Der alt-neue Stil von BILD lässt jedoch befürchten, dass auch Döpfner dahinter steht, wenn BILD jetzt „Lockdown-Macher“ brandmarkt, die angeblich gemeinsam mit der Politik das arme Volk knechten und ihm Weihnachten vermiesen. BILD und Springer an der Seite der bekannten Verschwörungstheoretiker. Zu den Politikverächtern gesellen sich die Wissenschaftsverächter.

Steffen Grimberg

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