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Übergriffe gegen Medienschaffende auf Querdenker-Demos:

Macht hinne, ihr Innenminister!

23.04.2021

Steffen Grimberg (Foto: privat)

„Nach einem Jahr, zahllosen Anfeindungen, Bedrohungen und Angriffen durch #Querdenken bleibt es mir ein Rätsel, wie eine Protestbewegung, die Journalisten in einer Demokratie zum Feind erklärt, glaubt, damit politisch Erfolg haben zu können“, twitterte unser rbb-Kollege und DJV-Mitglied Olaf Sundermeyer am Mittwoch von der später aufgelösten Demo in Berlin.

Immerhin: In Berlin kam es dieses Mal nicht zu körperlichen Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten. Leider hat dieses „Rätsel“, um mit Sundermeyer zu sprechen, massive Auswirkungen. In der gerade veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) ist Deutschland wegen der Übergriffe auf Medienschaffende zurückgestuft worden. Die Lage wird nicht mehr als „gut", sondern nur noch als „zufriedenstellend“ bewertet. Im Klartext bedeutet das: Alarmstufe gelb.

Im Januar habe ich an dieser Stelle von unserem Gespräch mit Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik berichtet, mit der wir einen offenen Austausch über den Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen bei Demos hatten.

Dass die Innenminister der Länder jetzt endlich die Überarbeitung der „Verhaltensregeln für Medien und Polizei“ ernsthaft in Angriff nehmen, war lange überfällig. Ein vom Presserat und damit auch vom DJV erarbeiteter Vorschlag für eine Neufassung der veralteten Vereinbarung liegt seit Monaten vor. Hierin geht es auch ganz direkt um den Schutz von Journalistinnen und Journalisten bei Demonstrationen. Wir hätten den Sack schon gerne im vergangenen Jahr zugemacht. Doch Polizei und Länder wollten lieber einen eigenen Ansatz präsentieren.

Dieser scheint nun endlich vorzuliegen. Aus dem federführenden Polizeipräsidium Berlin hören wir, dass die Gespräche mit dem Presserat nun beginnen können, wenn der Arbeitskreis der Innenministerkonferenz dem Entwurf zustimmt. Angesichts der Dringlichkeit kann man da nur sagen: „Macht hinne!“ Und bezieht den Presserat und die Medienverbände gleich ein, um nicht weitere Zeit zu verlieren.

Was wir dabei gar nicht brauchen, sind regionale Alleingänge. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl von der CDU ist vorgeprescht und hat jetzt einen eigenen „Pressekodex“ für seine Polizei vorgelegt. Der soll die Standards der polizeilichen Medienarbeit im Bundesland („transparent“) festschreiben. Der Alleingang ist umso bemerkenswerter, weil Baden-Württemberg Teil der zuständigen Länder-Arbeitsgruppe war und Strobl derzeit sogar Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, die das bundesweite Dokument beschließen soll.

Eine erste Durchsicht zeigt in dem Baden-Württemberg-Papier viel Vernünftiges. So heißt es: „Die Polizei BW achtet (…) die in Artikel 5 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgte Pressefreiheit sowie das Auskunftsrecht der Presse (…). Sie ist sich dabei der Funktion der Medien als wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses bewusst und unterstützt diese aktiv im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der Gleichbehandlung.“ Was aber fehlt, sind konkrete Ansätze mit Blick auf die aktuellen „Problemzonen“. Das Wort „Demonstrationen“ findet sich an keiner Stelle. Von Gefährdungslagen für Berichtende und zwingend erforderliche Schutzmaßnahmen der Polizei ist gar nicht die Rede.

Hier müssen die jetzt bei den Ländern in der Abstimmung befindlichen Verhaltensgrundsätze deutlich weiter gehen! Die vom Presserat vorgelegte Aktualisierung zeigt, wohin der Weg führen muss. Sonst ist unseren Kolleginnen und Kollegen, die sich vor Ort in Gefahr begeben, wenig geholfen.

Steffen Grimberg

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